Nachfolgend ist das in der Passauer Neuen Presse erschienene Interview im Wortlaut wiedergegeben:
Drei Fragen an Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes
Frage: Das Bundessozialgericht rechnet mit positiven Bescheiden in den Eilverfahren von EU-Ausländern, die auf Hartz-IV-Zahlung klagen. Was kommt da auf Staat und Kommunen zu?
Landsberg: Da steckt Dynamik drin. Durch diese Verlautbarung des Bundessozialgerichts ist die Rechtslage noch unübersichtlicher geworden. Es wird frühestens im nächsten Jahr eine Entscheidung des europäischen Gerichtshofs geben, ob Deutschland wie bisher generell Hartz-IV-Zahlungen für EU-Ausländer verweigern kann, die hier nur zur Arbeitssuche sind. Viele Betroffene werden jetzt versuchen, Hartz-IV-Zahlungen bei Gerichten durchzusetzen. Wenn Richter zugunsten eines Betroffenen eine vorläufige Entscheidung treffen, ist die Wahrscheinlichkeit, dass er das zurückzahlen muss und kann gleich Null.
Frage: Welche Möglichkeiten gibt es, damit umzugehen?
Landsberg: Die Politik muss handeln. Wir könnten das deutsche Recht ändern, an dem Grundsatz festhalten, dass es keine Hartz-IV-Leistungen für EU-Ausländer gibt, aber für wenige, begründete Härtefälle Ausnahmen zulassen. Dann müsste man eine belastbare konkrete Definition für Härtefälle finden. Eine Flut von Anträgen würde uns das allerdings auch nicht ersparen, weil sich viele natürlich für einen Härtefall halten werden. Die Alternative wäre eine Klarstellung auf EU-Ebene: Wenn die Mitgliedstaaten wirklich keinen Sozialtourismus wollen und keine Möglichkeit, nur wegen des höheren Arbeitslosengeldes in andere EU-Staaten zu wechseln, könnte das im EU-Recht klargestellt werden. Dieser Weg ist noch schwieriger, weil die EU-Kommission derartige Einschränkungen als Gefahr für die Freizügigkeit sieht. Alles weiter laufen zu lassen, bis der Europäische Gerichtshof irgendwann entschieden hat, wäre der schlechteste Weg.
Frage: Welche Folgen hätte es, Arbeitslosengeld für EU-Ausländer zu zahlen?
Landsberg: Es war der eindeutige Wille des deutschen Gesetzgebers, dass Arbeitslosengeld II für EU-Ausländer nicht gezahlt werden soll, wenn sie nur zum Zweck der Arbeitssuche nach Deutschland kommen. Deutschland hat ein vergleichsweise hohes Niveau an Sozialleistungen, nicht nur höher als in Rumänien oder Bulgarien, sondern auch höher als z. B. in Spanien und Italien. Diese Leistungen ohne jede Einschränkung allen zu gewähren, hätte eine Sogwirkung. Das würde Bund und Kommunen finanziell überfordern. Wir wollen nicht an der Freizügigkeit rütteln und sind auf Zuwanderer angewiesen, doch Anreize für eine massenhafte Einwanderung in das Sozialsystem können und wollen wir uns nicht leisten.
Die Fragen stellte Christoph Slangen.