Städte sollen selber entscheiden dürfen
Julia Kastein:
Die Bundesregierung hat ein ehrgeiziges Ziel. Sie will bis 2020 – also in sechs Jahren – eine Million Elektroautos auf Deutschlands Straßen sehen. Momentan sind es gut 6.400. Gestern hat das Kabinett deshalb ein E-Mobilitätsgesetz beschlossen und da steht beispielsweise drin, was sich BMW für seine Leipziger Elektroautos schon lange wünscht. Ich spreche Jochen Müller (Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des BMW-Werks Leipzig. Anm. d. Red.).
Jochen Müller:
Steuererleichterung, massiver Ausbau der Ladeinfrastruktur und z. B., dass Sie z. B. in größeren Städten die Nutzung der Busspuren miterlauben oder eben dass man im innerstädtischen Bereich mit Elektrofahrzeugen kostenlos parken darf.
Kastein:
Die Steuerfreiheit für Elektroautos, die gibt es ja schon länger. Und die anderen Sonderrechte, wie eben die Nutzung der Busspuren oder das kostenlose Parken, das sollen die Kommunen nach diesem neuen Gesetz künftig also gewähren können. Bevor wir darüber gleich mit dem Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes sprechen, ein paar Reaktionen aus mitteldeutschen Städten. Und die hat Hanno Griess für uns gesammelt:
In Jena hält der zuständige Verkehrsdezernent Denis Peisker das Recht, mit Elektroautos auf Busspuren zu fahren, für unproblematisch. Es gebe derzeit nicht einmal 100 E-Autos und die kämen den Bussen nicht in die Quere. Für nützlicher aber hält er kostenlose Parkplätze. Sie könnten ein tatsächlicher Anreiz sein. Außerdem könne man beispielsweise auf Parkplätzen an öffentlichen Gebäuden auch gleich Ladesäulen einrichten. In Jena gibt es derzeit fünf Ladestationen. In Dresden begrüßt der verantwortliche Tiefbauamtschef Reinhard Koettnitz das Gesetz grundsätzlich. Nun gebe es Rechtssicherheit. An kostenloses Parken denke er dabei allerdings nicht. Auch das Nutzen von Busspuren lehnt er ab. Man werde jetzt prüfen, wie groß überhaupt der Bedarf ist für praktische Maßnahmen. Dazu werde man eine Arbeitsgruppe einsetzen, in der Stadtplanungsamt, Verkehrsbehörde und Tiefbauamt alles Weitere koordinieren. In Leipzig ist der Oberste Verkehrsplaner Michael Jana ebenfalls gegen das Nutzen von Busspuren für E-Autos, weil auf den vorhandenen häufig auch die Straßenbahnen führen. Man habe aber bereits Parkbevorrechtigungen für Elektroautos eingerichtet. An den fünf schon vorhandenen Ladestationen dürften herkömmliche Autos gar nicht mehr parken. Weitere fünf Stationen sollen dazukommen. Andere Vergünstigungen, wie kostenloses Parken, habe man in Leipzig noch nicht diskutiert.
Kastein:
Gerd Landsberg ist der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes ist jetzt am Telefon. Guten Morgen, Herr Landsberg.
Dr. Gerd Landsberg
Guten Morgen, Frau Kastein.
Kastein
Ja, viele Großstädte sind eher skeptisch, was Elektroautos auf der Busspur angeht. Wie sieht es denn bei Ihren Mitgliedern aus. Sind die eher bereit, ihre Busspuren für E-Autos zu öffnen?
Landsberg
Es ist örtlich ganz unterschiedlich. Das Gesetz, Sie haben es ja anmoderiert, ist ja auch ganz neu. Ich denke, die einen werden es machen, die anderen werden es lassen. Man muss wissen, dass z. B. hier in Berlin Sie auch mit einem normalen Pkw - nicht den ganzen Tag, aber zu bestimmten Stunden - über die Busspur fahren können. Selbstverständlich könnte man sagen, in Zukunft dürfen das nur noch Elektroautos, denn die liefern einen Beitrag für die Feinstaubreduktion in der Stadt. Aber, das haben wir immer gesagt – auch im Gesetzgebungsverfahren – das sollen die Städte selber entscheiden dürfen und genau so hat der Gesetzgeber auch reagiert.
Kastein
Die Frage ist ja, Herr Landsberg, kaufen sich wirklich mehr Leute ein Elektroauto nur, weil sie damit vielleicht einmal auf der Busspur am Stau vorbeirauschen können oder weil sie in der Innenstadt einen kostenlosen Parkplatz finden. Was meinen Sie denn?
Landsberg
Nein, ganz sicherlich nicht, aber es ist ein zusätzliches Anreizsystem. Wir wollen ja die Elektromobilität voranbringen nicht weil wir Elektroautos so toll finden, sondern weil wir fast in allen Städten – in großen und kleinen – immer noch Feinstaubproblematiken haben, die Umweltzonen haben da so sehr viel nicht gebracht. Und wenn man eine solche Sache auf die Spur bringen will, ist natürlich ein Sonderrecht, sei es beim Parken, sei es auf der Busspur, durchaus attraktiv. Es gibt ja Vorbilder. Schauen Sie nach Norwegen. Da hat man das gemacht. Man muss natürlich auch ehrlich sagen, wenn man das Thema Busspuren nimmt: Werden es zu viele Autos, dann wird es auf Dauer nicht funktionieren. Aber es geht um den Anschub.
Kastein
Norwegen ist ja so ein bisschen Vorreiter in Sachen Elektromobilität und die sind ja auch in anderer Beziehung sehr viel weiter gegangen. Die haben nämlich beispielsweise auch den Kauf von E-Autos von der Mehrwertsteuer befreit. Wenn jetzt die Bundesregierung es plötzlich ernst meint, mit ihrer Initiative, müsste sie dann nicht auch viel deutlichere finanzielle Anreize schaffen?
Landsberg
Das würde man sich wünschen. Aber Sie wissen auch, dass überall in der Wirtschaft immer gern nach Subventionen gerufen wird. Ich glaube, entweder setzt sich das Auto durch, weil es gut ist, weil es umweltfreundlich ist und weil es am Ende auch preiswerter ist. Ich würde auch den Fokus vielleicht etwas weniger auf den Privatverkehr und mehr auf den Lieferverkehr, also auf die Handwerker, auf die Paketdienste, die ja relativ kurze Strecken, aber häufig in den Städten fahren. Ich glaube, dass da auch der Umweltaspekt am ehesten eine Wirkung hätte.
Kastein
Da würden Sie sich mehr Anreize wünschen?
Landsberg
Da würde ich mir mehr Anreize wünschen. Ob das so weit geht, dass man das steuerlich begünstigt, weiß ich nicht. Aber man könnte z. B. über die Abschreibung nachdenken. Das wäre jedenfalls eine zielgerechte Maßnahme, die uns umweltpolitisch etwas bringen würde.
Kastein
Elektroautos sind klimafreundlicher, weil sie eben keine Emissionen produzieren, Herr Landsberg, Aber trotzdem sind es natürlich Autos, sie nehmen Platz weg, sie produzieren Stau. Hat die Bundesregierung mit dem E-Auto vielleicht ein bisschen aufs falsche Pferd gesetzt. Wäre es vielleicht sinnvoller, den ÖPNV insgesamt und vielleicht Elektrofahrräder, die sich natürlich viel besser verkaufen, zu fördern?
Landsberg
Ich glaube, man muss beides tun ohne das eine zu lassen. Die Fahrräder sind in der Tat ein Selbstläufer. Wir haben ja immer weiter steigende Verkaufszahlen, weit über 300.000, 400.000 pro Jahr. Das war früher undenkbar. Aber auch das ist übrigens eine Herausforderung für die Städte, entsprechende Abstellplätze zu schaffen, die auch sicher sind, denn diese Fahrräder sind teuer. Da hören wir auch von vielen Problemen in den Städten, dass die Bürger sagen, ich traue mich mit dem Fahrrad gar nicht mehr da- und dorthin zu fahren, weil es mir möglicherweise geklaut wird. Insofern hängt alles miteinander zusammen.
Kastein
Nicht so einfach. Vielen Dank. Gerd Landsberg ist der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. Die Bundesregierung hat ein neues Gesetz zur Förderung der Elektroautos beschlossen.