Flüchtlingshilfe ist gesamtgesellschaftliche Aufgabe
Massimo Maio
Viele deutsche Städte und Gemeinden stehen zurzeit vor dem Problem, wie umgehen mit der steigenden Zahl von Flüchtlingen. Immer mehr Flüchtlinge kommen durch Konflikte und Kriege zu uns nach Europa. Ich bin jetzt verbunden mit dem Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg. Herr Landsberg, wir haben eben – in der Reportage aus Wuppertal –gehört, die Stadt bringt eben Flüchtlinge in mehr oder weniger ganz normalen Wohnunten unter. Das geht in Wuppertal gut, weil die Stadt Leerstand hat. Das klingt nach einem guten Modell. Wäre das Modell denn auch für andere Städte denkbar?
Dr. Landsberg
Das ist nicht für jede Stadt denkbar, weil nicht jede Stadt ausreichend freien Wohnraum hat. Wir haben Ballungsräume, wo es schon jetzt für die deutsche Bevölkerung ausgesprochen schwierig ist, eine geeignete Wohnung zu finden. Deswegen sagen wir als Städte- und Gemeindebund: Wir brauchen ein Bau- und Umbauprogramm, denn das Flüchtlingsproblem wird nicht morgen, oder übermorgen gelöst sein, sondern uns wahrscheinlich über Jahre beschäftigen und deswegen brauchen wir zusätzlichen Wohnraum. Möglichst nicht so große Einrichtungen, weil das für die Situation der Flüchtlinge der bessere Weg ist.
Massimo Maio
Sie wollen auch, dass die deutschen Städte und Gemeinden selber Konzepte entwickeln für die langfristige Unterbringung von Flüchtlingen. Wie können diese Konzepte aussehen?
Dr. Landsberg
Wir müssen in den Kommunen davon ausgehen, dass wir eine große Zahl von Flüchtlingen in den nächsten Jahren unterbringen müssen. Das kann häufig sehr schnell gehen, je nachdem wie die Krisen sich weltweit entwickeln. Wir rechnen ja dieses Jahr mit 200.000 Asylbewerbern, das können aber auch 250.000 oder 280.000 sein. Deswegen sollte man in jeder Kommune überlegen, wo haben wir Immobilien, möglicherweise auch im Außenbereich, die nicht genutzt werden. Das können auch Kasernen des Bundes oder Liegenschaften der Länder sein, die man jedenfalls mittelfristig für so eine Unterbringung vorbereiten kann. Das ist nicht immer ganz einfach und es kostet auch Geld. Deswegen sagen wir, das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und die Finanzierung eines solchen Programms liegt ganz sicher bei Bund und Ländern.
Massimo Maio
Und Sie sehen nicht nur die einzelnen Gemeinden und Städte gefragt, sondern es geht auch um eine Vernetzung. Sie fordern z. B. einen Flüchtlingsgipfel. Was genau soll bei diesem Flüchtlingsgipfel passieren?
Dr. Landsberg
Wir brauchen eine Vielzahl von Maßnahmen – einmal zur Unterbringung – das haben wir schon angesprochen. Wir brauchen auch mehr zentrale Einrichtungen, weil die Kommunen teilweise das Problem haben, dass sie angerufen werden und es heißt: in einer Woche kommen 200 oder 300 Flüchtlinge. Das ist zu kurzfristig. Wir brauchen eine längere Vorbereitung und das geht nur, wenn es mehr zentrale Aufnahmeeinrichtungen der Länder gibt, in der die Flüchtlinge zunächst bis zu drei Monate untergebracht werden, sodass wir mehr Möglichkeiten haben, uns darauf vorzubereiten. Und nichts geht ohne Geld, das muss man aber auch wirklich sagen. Die Kommunen bekommen eine Pauschale, in der Regel pro Flüchtling oder Asylsuchenden. Diese Pauschalen sind nicht annähernd kostendeckend. Und ein ganz wichtiger Punkt, auch das muss auch besprochen werden, das ist die gesundheitliche Versorgung und deren Finanzierung. Gerade diese Bürgerkriegsflüchtlinge sind schwerstverletzt, traumatisiert. Das ist keine normale Behandlung. Das kostet sehr viel Geld und da meinen wir, dass man einen Gesundheitsfonds einrichten sollte, den Bund und Länder finanzieren und aus dem viele notwendige Maßnahmen auch finanziert werden. Das ist für die Akzeptanz, glaube ich, ganz wichtig. Letzter Punkt, den wir auch für wichtig halten: Warum sollen nicht in größerem Umfang auch private Personen Flüchtlinge aufnehmen können? Häufig haben wir z. B. Syrer, die schon 10, 20 Jahre in hier in Deutschland leben, auch gut integriert sind und auch arbeiten. Jetzt kommt der Flüchtling, der ist, sagen wir mal der Bruder oder ein anderer Verwandter, nach Düsseldorf. Warum soll der den nicht aufnehmen.
Massimo Maio
Sie haben ganz konkrete Vorschläge. Aber bei Solchen Ideen ist natürlich immer die Frage nach der Realisierbarkeit. Wo sehen Sie denn da die größten Probleme?
Dr. Landsberg
Die Realisierbarkeit halte ich nicht für so gering, weil sowohl Bund wie auch Länder wie auch Kommunen das Problem erkannt haben. Das können Sie ja auch täglich in der Zeitung lesen. Das dauert natürlich auch eine Zeit, weil wir bisher die Erfahrungen gemacht haben, ja da kommen Flüchtlinge, da kommen auch viele, aber nach einen Jahr ging die Zahl auch wieder runter. Wenn man sich die kritische Lage in der Welt im Nahen und Mittleren Osten ansieht, wird das so eben nicht sein. Und ich glaube, dieser Gedanke ist in der Zwischenzeit auch in den Köpfen der Politiker angekommen, so dass ich eigentlich ganz zuversichtlich bin, dass jedenfalls ein Teil der Dinge, die ich angesprochen habe, dann auch Realität werden.
Massimo Maio
Also, der Deutsche Städte- und Gemeindebund ist optimistisch, dass die Wohnsituation von Flüchtlingen in Deutschland verbessert werden kann, fordert aber auch ganz konkrete Konzepte.
Vielen Dank Gerd Landsberg, der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes heute hier im Funkhaus Europa.