Viele Städte betreiben einen Internetauftritt. Warum dann auch noch Social-Media?
Auch Städte und Gemeinden sehen, dass sich viele ihrer Bürger und Unternehmen in den sozialen Netzwerken bewegen. Dort findet die Kommunikation statt – unabhängig davon, ob man selbst dort aktiv vertreten ist oder nicht.
Facebook ist heute das, was früher der Marktplatz war. Hier trifft man sich, hier tauscht man sich aus. Als Stadt kann man entweder daneben stehen und zuschauen oder sich unter das Volk mischen und mitreden. Und den meisten ist mittlerweile klar, dass sie mitreden müssen. Themen wie eGovernment, Dialog und Transparenz werden in der Politik immer wichtiger. Die Bürger verschaffen sich mit Hilfe der sozialen Netzwerke Gehör und können so auch Druck ausüben – sei es bei Bauprojekten, Lehrermangel oder der Benennung eines Tunnels. Davor kann man sich auf Dauer nicht verschließen.
Welchen Aufwand bedeutet es für eine Stadt einen Social-Media-Auftritt zu launchen?
Am Anfang ist Vorarbeit gefragt. In der Regel starten wir zunächst mit einer Workshop-Reihe. Im ersten Workshop geht es darum, die Zielgruppen herauszufiltern und deren Lebenswelt zu verstehen. Erst wenn ich weiß, mit wem ich spreche bzw. sprechen möchte, kann ich auch wirklich auf die Menschen eingehen. Weiter geht es dann mit der Strategie: Welche Themen sind aus der Sicht der Stadt relevant? Welche interessieren die Bürger wirklich? Wie schaffen wir daraus eine spannende Mischung?
Bei der Betreuung fangen auch die Städte zunächst „klein“ an. Man hat ja nicht von heute auf morgen 10.000 Fans, sondern baut sich das Stück für Stück auf. Für die Betreuung der Seite gibt es unterschiedliche Ansätze. In Ludwigsburg wurde beispielsweise eine Stelle geschaffen, bei der ein Verantwortlicher 30 Prozent seiner Arbeitszeit für soziale Medien verwenden darf. In anderen Städten wie z.B. Nürtingen wird die Seite von einem Team aus verschiedenen Fachbereichen betreut, bei denen jeder sein Thema postet und betreut.
Wie hat sich die Bedeutung von Facebook für Städte in den letzten Jahren entwickelt?
2010 war das Thema noch für alle sehr neu und man hat es mit großer Skepsis beäugt. Mittlerweile ist eigentlich allen klar, dass Facebook sich als feste Größe im Netz etabliert hat und man sich auf jeden Fall damit beschäftigen muss. Für die Städte, die schon aktiv sind, hat es sich bisher als sehr positiv erwiesen. Die Bürger – gerade die jüngere Zielgruppe – beginnen, die Stadt anders wahrzunehmen, nämlich jünger, innovativer und vor allem aber auch freundlicher und offen für einen Dialog. Seit Mitte 2012 scheint es sich – zumindest in der Region um Stuttgart - als fester Bestandteil in der Öffentlichkeitsarbeit zu etablieren. Den meisten ist klar, dass sie früher oder später auf jeden Fall in den sozialen Medien aktiv werden müssen. Nur an Strategien und Ideen fehlt es hier und da noch bzw. am Mut, auch schwierige Themen anzugehen.
Was ist die Motivation der Städte, die einen Facebook-Auftritt starten?
Ein stückweit spielt „Alle sind dabei also müssen wir auch mitmachen“ eine Rolle. Aber sie finden es wichtig, den Kontakt zu den Bürgern zu suchen und deren Bedürfnisse offener entgegen zu treten. Außerdem erreicht man gerade die junge Generation häufig über die klassischen Kanäle wie z. B. das Amtsblatt oder den eigenen Webauftritt nur noch selten. Gerade im Tourismus-Bereich spielt es natürlich auch eine große Rolle, die eigenen Angebote über die Region hinaus bekannt zu machen und neue Besucher in die Stadt zu holen. Die Verantwortlichen sehen die große Chance, wieder ein größeres Publikum ansprechen zu können.
Bei nur wenigen Facebook-Auftritten ist der Absender der Beiträge ersichtlich. Woran liegt das?
Dafür gibt es sehr unterschiedliche Gründe. Vor allem die Generation 40+ fühlt sich im Umgang mit Facebook trotz Schulungen immer noch unsicher und hat Angst, die Kontrolle über ihre Daten zu verlieren. Einige haben auch Bedenken, dass die Leute dann ihre privaten Profile auf Facebook suchen und dort weiter mit ihnen als Mitarbeiter der Stadt diskutieren möchten. Ihnen ist es wichtig, ihre Privatsphäre zu wahren und sehr klar von der Arbeit zu trennen. Und in einigen Fällen hat es auch wirklich sicherheitsrelevante Aspekte: Mitarbeiter in Sozialämtern oder Beratungsstellen werden manchmal persönlich beleidigt und bedroht. In solchen Fällen geht es dann ganz klar darum, die eignen Mitarbeiter vor Übergriffen zu schützen. An einigen Stellen haben auch die Datenschutz-Beauftragten darum gebeten, von einer solch öffentlichen Darstellung der Mitarbeiter abzusehen. Generell empfehle ich, das Team bzw. die Verantwortlichen persönlich kurz vorzustellen, aber das ist natürlich immer eine gemeinsame Entscheidung.
Macht ein Facebook-Auftritt bei Mitarbeitern und der internen Organisation der Städte ein Umdenken erforderlich?
Jahrzehntelang haben Verwaltungen Informationen hierarchisch geordnet von oben nach unten weitergegeben – sowohl an die Bürger als auch an die eigenen Mitarbeiter. Dabei war es wichtig, dass die Informationen korrekt und rechtlich einwandfrei sind. Von Beginn an wird den Mitarbeitern eingeschärft, dass der Umgang mit Informationen wichtig ist und Sicherheit und Datenschutz eine sehr große Rolle dabei spielen. Und man spricht immer im Namen der Stadt – in einem rechtlichen Rahmen voller Verordnungen, Regeln und Gesetzen.
Die sozialen Medien fordern da eine große Umstellung. Man muss zeitnah und schnell reagieren, braucht flache Hierarchien, kurze Informationen statt der Auskunft bis ins kleinste Detail und es geht plötzlich viel stärker um den persönlichen Kontakt mit den Menschen in der Verwaltung als um die Institution an sich. Und es darf auch hier und da mal ein kleiner Fehler passieren – auch das ist nur menschlich und wird verziehen. Wichtig ist aus meiner Erfahrung, dass vor allem die Führungsebenen das Ganze mittragen und unterstützen müssen. Das verschafft dem Team im Haus die nötige Rückendeckung, wenn es darum geht, Informationen zusammen zu tragen und Beiträge schnell und unkompliziert veröffentlichen zu können.
Nach welchen Kriterien werden die Inhalte für den Facebook-Auftritt ausgewählt und wie kann man diese optimal an das Medium Facebook anpassen?
Zunächst macht man ein Brainstorming. Man überlegt sich, welche Themen die Stadt gerne kommunizieren möchte, was die Zielsetzung ist und hinterfragen, ob das auf Facebook richtig platziert ist. Dann steht die Frage im Raum: Was wollen die Bürger von uns? Welche Themen und Informationen sind wichtig?
Danach verschafft man sich einen Überblick und versucht zu priorisieren. Häufig wird erst einmal mit den etwas einfacheren Themen wie Tourismus, Veranstaltungen und hier und da ein Blick hinter die Kulissen des Rathauses gestartet. So können die Beteiligten auch erst einmal „üben“ und Sicherheit im Umgang mit der Plattform gewinnen.
Im Rahmen dieser Workshops mache ich auch sehr gerne praktische Übungen mit den Teilnehmern. Beispielsweise spielen wir eine Szene in einem Café nach. Zwei Leute spielen die gewünschte Zielgruppe, die sich bei einem Kaffee unterhält und der Mitarbeiter muss nun versuchen, mit denjenigen ins Gespräch zu kommen. Am Anfang sorgt diese Übung immer für Gelächter und Unsicherheit, aber dann geht es meistens doch ganz schnell. Die Leute merken, dass sie mit einem einfachen Statement niemanden zum Dialog animieren können. Und genau darum geht es ja schließlich. Man muss Fragen stellen, zuhören, darauf eingehen und kann dann wiederum ganz anders an das Thema herangehen.
Über Statistiken und Auswertungen erfährt man, mit welcher Zielgruppe man es zu tun hat, welche Beiträge besonders viel Interaktion hervorrufen und welche Themen von den Fans angesprochen werden. Insofern gibt es keine in Stein gemeißelte Strategie, sondern es bleibt ein ständiger Lern- und Optimierungsprozess.
Was kann eine Stadt bei einem Social-Media-Auftritt falsch machen?
Da gibt es natürlich sehr viele Dinge. Allen voran Inhalte nicht facebook- und zielgruppengerecht aufzubereiten. Es gibt wirklich Städte, die einfach den RSS-Feed ihrer Pressemitteilungen einbinden und dann stolz erzählen, sie wären auf Facebook. Das fördert weder den Dialog noch die positive Wahrnehmung durch die Fans. Den Aufwand kann man sich dann auch einfach sparen und die Finger von den sozialen Netzwerken lassen. So hat es jedenfalls keinen Sinn.
Kritisch ist auch, wenn man gar nicht oder negativ auf Fragen und Aussagen seiner Fans reagiert. Dann hat man das Prinzip der sozialen Medien einfach nicht verstanden. Kritik gehört nun einmal auch zu einem offenen Dialog. Und man kann jedes Feedback als Chance begreifen, etwas zu verbessern. Natürlich ist ein angemessener Ton und respektvoller Umgang miteinander wichtig, aber um den darf man auch gerne bitten. Niemals sollte man zurückschimpfen, emotional überreagieren oder einfach löschen was einem nicht passt.
Was sind Ihre 5 Tipps für einen gelungen Facebook-Auftritt?
1. Ein gut harmonierendes Team, das Spaß an Facebook hat und gerne mit den Fans kommuniziert. Begeisterung steckt an und ist auch zwischen den Zeilen erkennbar!
2. Eine auf die Zielgruppe abgestimmte, sinnvolle Strategie, die man immer wieder überprüft und anpasst. Es ist ein Prozess der permanenten Weiterentwicklung.
3. Regelmäßige Posts und eine gute Mischung aus unterschiedlichen Themen, die für die Fans einen Mehrwert haben und sie persönlich ansprechen.
4. Beachtung der rechtlichen Rahmenbedingungen und Regeln, die ein jedes Netzwerk mit sich bringt und damit die Vermeidung von Abmahnungen und Klagen.
5. Eine ansprechende Aufbereitung der Inhalte und Gestaltung der Seite.
Vielen Dank für das interessante Interview!
Das Interview und die dazugehörige Studie wurden von Katharina Höll, Achim Hoth, Mathias Kurz und Nicolas Krischker verfasst. Erläuterungen zur Studie werden ebenfalls in wenigen Tagen hier veröffentlicht.