Frage: Verdi startet mit einer Lohnforderung von 6,5 Prozent in die Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst – wie teuer wäre ein solcher Abschluss?
Dr. Gerd Landsberg: Die Forderung ist absolut überzogen. Weil Verdi einen Mindestbetrag von 200 Euro fordert, beläuft sich das Gesamtvolumen sogar auf eine Steigerung von acht Prozent. Das würde die Kommunen und ihre Betriebe sechs Milliarden Euro pro Jahr kosten. Das können wir uns schlicht nicht leisten.
Frage: Ist die Finanzlage der Kommunen so prekär?
Landsberg: Viele Städte stehen am Rande der Handlungsunfähigkeit. Wir arbeiten mit Kassenkrediten von 44 Milliarden Euro, die eigentlich nur kurzfristige Engpässe überbrücken sollen. Städte und Gemeinden nutzen sie teilweise schon jetzt, um
Personal damit zu finanzieren.
Frage: Welche Konsequenzen hätte ein hoher Tarifabschluss?
Landsberg: Der Druck, mehr zu privatisieren, würde steigen. Das wollen wir eigentlich vermeiden. Städte und Gemeinden müssten zudem die Gebühren erhöhen. Die Masse der kommunalen Gebühren ist nicht kostendeckend. Kindergartenbeiträge, Eintritt in Museen oder Leihgebühr in Bibliotheken – alles müsste steigen. Doch allein über Gebührenerhöhungen ließe sich der Finanzbedarf nicht decken. Aus sozialen Gründen können Gebühren ohnehin nicht übermäßig erhöht werden. Der Druck, Personal abzubauen, würde zunehmen. Die Bürger wollen das nicht und im Interesse der Beschäftigten ist eine solche Entwicklung auch nicht.
Frage: In der freien Wirtschaft steigen viele Löhne spürbar – wie wollen die Kommunen im Wettkampf um Arbeitsplätze noch konkurrenzfähig sein, wenn sie so auf die Lohnbremse treten?
Landsberg: Die Privatwirtschaft kann ihre Kosten auf ihre Produkte umlegen. Unternehmen können Beschäftigte im großen Stil entlassen, auf Niedriglöhne oder Zeitarbeit umsteigen. Das wollen und dürfen wir nicht. Kommunale Beschäftigte haben meist einen interessanten Job und familienfreundliche Arbeitszeiten. Die Mobilitätsanforderungen in einer Stadtverwaltung sind geringer als in einem mittelständischen Betrieb. Wir bieten unseren Beschäftigten viele Pluspunkte.
Frage: Welche Lohnsteigerung könnten Städte und Gemeinden verkraften?
Landsberg: Ich werde keine Zahl nennen. Die Verdi-Forderungen sind überzogen. Die Drohungen mit Streiks zum Auftakt der Tarifrunde gehören zum Ritual. Ich hoffe, wir einigen uns ohne Streiks, unter denen nur die Bürger leiden würden. Mit ist klar: Die Beschäftigten sind nicht an der kommunalen Finanzmisere schuld. Die Leistungen der Verwaltung sind gestiegen, die Bürgerfreundlichkeit hat zugenommen, die Kommunikation ist schneller geworden.
(Das Interview führte Christoph Slangen)