„Wir brauchen eine neue Art der Finanzierung der Sozialausgaben“

Roland Schäfer, Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes und Bürgermeister der Stadt Bergkamen

Rbb-Inforadio:
Starkes Deutschland - schwaches Deutschland, heißt unsere Serie in dieser Woche - und da schauen wir uns heute die Städte und Gemeinden an. Die sitzen nämlich tief in den roten Zahlen. Trotz Steuer-Rekordeinnahmen auf Bundesebene. Aber offenbar sickert das nicht ausreichend durch in die Kommunen. Im vergangenen Boomjahr haben sie immer noch ein Minus von drei Milliarden Euro verbucht. Wie kommt das? Warum geht es dem Bund gut, und den Kommunen so schlecht? Darüber sprechen wir heute mit Roland Schäfer, Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes und selbst Bürgermeister in Bergkamen.

Angela Ulrich:
Wenn wir insgesamt auf die Lage der Kommunen schauen: Was kam da 2011 von den Rekordsteuereinnahmen bei den Gemeinden und Städten an?

Roland Schäfer:
Da ist schon eine ganze Menge angekommen, das kann man überhaupt nicht leugnen. Wir freuen uns darüber sehr. Gerade auch die Gewerbesteuer hat sich wirklich sehr gut erholt. Es ist richtig gewesen, dass wir dafür gekämpft haben. Der Punkt ist nur: Wir sind belastet durch die Defizite der vergangenen Jahre, die noch lange nicht abgearbeitet sind, und wir sind massiv belastet durch die ständig steigenden Sozialausgaben. 

Angela Ulrich:
Ist das jetzt radikal angestiegen in letzter Zeit?

Roland Schäfer:
Ja, das kann man so sagen. Wenn man sich das anguckt, dass wir in einigen Bereichen bei den Kassenkrediten etwa in den letzten zehn Jahren eine Vervierfachung haben, das sind Ausgaben für laufende Kredite, für laufende Ausgaben. Und der Hauptpunkt sind tatsächlich die Ausgaben für den Bereich Grundsicherung im Alter, da entlastet uns der Bund jetzt ab diesem Jahr, das auch sehr schön und sehr begrüßenswert. Aber viel stärker gestiegen sind die so genannten Eingliederungshilfen, Kosten der Unterkunft und natürlich alles das, was wir auch  - völlig zu Recht -  für Kinderbetreuung ausgeben müssen. 

Angela Ulrich:
Da fühlen Sie sich allein gelassen vom Bund?

Roland Schäfer:
Wir fühlen uns ein wenig allein gelassen. Der Bund hat Hilfestellung geleistet im Bereich Grundsicherung im Alter, aber das reicht nicht, das ist nur ein ganz kleiner Teil. Insgesamt sind die Sozialausgaben inzwischen für die Kommunen auf etwa 45 Milliarden Euro gestiegen. Das ist eine Verdoppelung in den letzten zehn Jahren. Das ist einfach zu viel. Das können Kommunen nicht stemmen. Hier müssen wir uns zusammensetzen und wirklich eine neue Art der Finanzierung finden. 

Angela Ulrich:
Sie fordern ja eine so genannten Agenda 2020, einen Kurswechsel in der Verteilung eben auch von Geldern. Wie soll das konkret aussehen?

Roland Schäfer:
Man muss sich zusammensetzen – Bund, Länder und Kommunen. Wir haben Aufgaben, das sind gesamtgesellschaftliche Aufgaben. Zum Beispiel die Betreuung von Behinderten: das ist eine wichtige Aufgabe, das ist eine Aufgabe die man leisten muss, aber das sollte man nicht im Wesentlichen den Kommunen auf die Schultern legen, sondern das muss gemeinsam gestemmt werden. Über diese Fragen muss man sich unterhalten. Da muss man sich zusammensetzen. Das ist mit dem Begriff Agenda 2020 gemeint. Und unsere Einnahmesituation muss eigentlich auch weiter stabilisierend verbessert werden. Auch da haben wir Vorschläge gemacht.

Angela Ulrich:
Sprich von den Gesamtsteuereinnahmen müssen die Kommunen noch mehr auch profitieren?

Roland Schäfer:
So ist es! Und im Bereich der Gewerbesteuer könnte man das deutlich stabilisieren, dass wir nicht dieses Auf und Ab haben, sondern eine größere Verstetigung. Auch das wäre durchaus möglich. Wir sind ja kein armes Land, die Bundesrepublik. Wir sind ein reiches Land, aber wir machen uns selber arm ein bisschen.

Angela Ulrich:
Eine Konsolidierung der Finanzen funktioniert aber in der Regel nicht ohne Einschnitte. Könnten die Kommunen denn noch sparen und wenn ja, wo, um da auch guten Willen zu zeigen?

Roland Schäfer:
Also natürlich wir haben über 11 000 Kommunen in der Bundesrepublik. Da gibt es natürlich immer noch Möglichkeiten irgendwo etwas besser zu machen, effizienter zu machen, preiswerter zu machen. Aber es gibt natürlich auch Grenzen. Wir haben die so genannten freiwilligen Aufgaben, die gar keine freiwilligen sind. Die soll zum Beispiel dafür sorgen als Kommune, dass unsere Kinder Bewegung haben. Dafür brauche ich aber Spielplätze, Bolzplätze, Sportplätze, Turnhallen, Schwimmbäder. Ich soll dafür sorgen, dass Kinder an Bücher, an Lehren herangeführt werden. Dafür brauche ich Bibliotheken und Kultureinrichtungen. Das sind alles Dinge, die zwar offiziell freiwillig sind, die wir aber doch brauchen, damit unsere Gesellschaft funktioniert und zukunftsfähig ist. Also da zu sparen und uns sozusagen tot zu sparen, das kann überhaupt nicht sinnvoll sein. Das nützt wirklich absolut niemanden!

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