Verwaltung wird digitaler

Dr. Chrstian Aegerter,
Alle Fotos: Michael Bader, Leipzig

Dr. Christian Aegerter, Hauptamtsleiter der Stadt Leipzig, berichtete in seinem Statement zu Beginn der Veranstaltung über die aktuellen Projekte zur Verwaltungsmodernisierung der größten sächsischen Stadt. Im Zusammenhang mit den Entwicklungen rund um das geplante eGovernment-Gesetz des Bundes wies er darüber hinaus auf die gute Zusammenarbeit der sächsischen Landesregierung mit den Städten und Gemeinden bei diesen Themen hin, die sicher auch so fortgesetzt werde. Eines der großen Pilotprojekte der Stadt Leipzig im Hinblick auf die Digitalisierung von städtischen Akten wird derzeit in der Verwaltung durchgeführt. In diesem von der Sächsischen Anstalt für kommunale Datenverarbeitung (SAKD) geförderten Vorhaben wird im Rechtsamt der Stadt Leipzig die Verwaltung auf Basis von eAkten aufgebaut. Ab 1. Januar 2013 wird der erfolgreiche Versuch in den Echtbetrieb übernommen. Die Erkenntnisse aus dem Piloten sollen künftig auch in andere Bereiche der Stadtverwaltung übernommen und langfristig die gesamte Organisation nachhaltig verändern. Aegerter wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass dem Pilotprojekt ein organisationsneutrales Konzept zugrunde liege. Weitere Digitalisierungsprojekte beträfen eine Bezahlfunktion der Stadtbibliothek und die IT-Sicherheit innerhalb der Verwaltung. Des Weiteren solle auf der Grundlage der Ergebnisse der Expertenkommission „Verwaltung 2030“, die Resultate eines Diskurses unter kommunalen Institutionen wie beispielsweise der KGSt und des Deutschen Städtetages beinhalten, ein Maßnahmenplan für die Stadt Leipzig erstellt werden.

Eine große Herausforderung der IT sieht der Hauptamtsleiter in der Langzeitspeicherung bzw. elektronischen Archivierung von Verwaltungsdaten. In Leipzig existierten über 400 elektronische Fachverfahren, die alle Daten speichern würden, erklärte Aegerter. Bei diesen Datenmengen sei es notwendig, in einem ersten Schritt ein Organisationskonzept zu erstellen, um erst in einem weiteren das adäquate technische Konzept zu entwickeln. Zudem müssten Kooperationsmöglichkeiten mit andern Institutionen geprüft werden. So baut der Freistaat Sachsen derzeit ein eigenes digitales Archiv auf, das für die Mitnutzung durch Kommunen geeignet sein könnte.

Über ein aktuelles städtisches Projekt zur Bürgerbeteiligung berichtete Aegerter abschließend. Unter dem Motto „Leipzig weiter denken“ sind Leipziger Bürger aufgerufen, online und öffentlich über die Zukunft der Stadt zu diskutieren und Ideen zu sammeln. Über Weblogs, Onlinedialogforen und weiteren Möglichkeiten zur Partizipation läuft dieser Prozess derzeit sehr erfolgreich.

Peter Kühne

Peter Kühne, Geschäftsführer der Lecos GmbH und Vorstandsvorsitzender des Vitako e. V., sprach im Anschluss über die Chancen und Herausforderungen, die der Einsatz von IT für den kommunalen Sektor bereithält. Chancen seien im Hinblick auf die Potenziale zur Effizienzsteigerung gegeben, während Herausforderungen beispielsweise durch die komplizierten Regelungen des Vergaberechts zur Beschaffung von IT-Dienstleistungen auf die Kommunen warten würden, so Kühne. Daneben stufte der IT-Experte ebenso wie sein Vorredner die Explosion der Datenmengen als große Herausforderung für Rechenzentren, Städte und Gemeinden ein. Darüber hinaus sei die Komplexität dieser Daten in einzelnen Bereichen zu einem Problem geworden. Die Daten, etwa aus den Meldeämtern, seien nicht immer untereinander kompatibel. Systemabstürze fänden deshalb deutschlandweit beinahe täglich statt. Eine der Hauptaufgaben kommunaler IT-Dienstleister bestehe darin, Systeme zu entwickeln, die sich auch langfristig wechselseitig „vertragen“, stellte Kühne fest. Des Weiteren zeichne sich ein deutlicher Trend zu Fusionen von kleinen IT-Dienstleistern zu größeren Einheiten ab. Eine hohe Hürde für Städte und Gemeinden besteht im geltenden Vergaberecht, das es Kommunen erschwert, adäquate IT-Dienstleistungen zu beschaffen. Ein Beispiel dafür sei die Einrichtung einer so genannten Cloud zur Speicherung von Daten. Ein gemeinschaftlicher Aufbau einer solchen Cloud, die dann zur Nutzung durch mehrere Städte und Gemeinden geeignet sei, sei ohne Ausschreibung kaum möglich. Derzeit wird in einer Arbeitsgemeinschaft des Vitako e. V. mit führenden IT-Dienstleistern über eine Lösung dieses Problems nachgedacht. Möglicherweise könnte die Gründung einer Initiative mit der Rechtsform einer Genossenschaft eine mögliche Lösung sein.

Franz-Reinhard Habbel

Franz-Reinhard Habbel, Sprecher des DStGB, stellte in seinem Impulsreferat im Hinblick auf die Zukunft der IT innerhalb der kommunalen Verwaltungen die Frage: „Tun wir noch das Richtige?“ Die derzeit existierenden 3.500 Verwaltungsprozesse müssten auf Effizienz geprüft und in einem nationalen Prozessregister gesammelt werden. Habbel sieht in den zwei derzeitig vorherrschenden IT-Trends Apps und Clouds große Potenziale für den kommunalen Sektor. Durch eine „Cloud Federation“ sei es möglich, auch größte Datenmengen zu beherrschen. Die Clouds sollten dabei nach Themen aufgebaut werden. Des Weiteren sieht er Apps als neue Zugangssoftware zu Verwaltungsdienstleistungen. Auch Bürgerprojekte wie die Berliner Wheelmap.org seien darunter zu fassen. Eine stärkere Kooperation mit derlei Privatinitiativen hält Habbel für notwendig. Aufgrund der demografischen Entwicklung sei es dringend erforderlich, die Verwaltungen noch effizienter werden zu lassen. Von derzeit 1,2 Mio. Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern werden in den kommenden Jahren 25 % ausscheiden. Neben der Akquise junger Menschen, die für den Verwaltungsdienst gewonnen werden müssten, sei eine Verbesserung der Prozesse und Strukturen unerlässlich. Eine leistungsfähige Verwaltung sei nach wie vor ein wichtiger Standortfaktor für jede Stadt und Gemeinde, sagte Habbel abschließend.

Heinz-Hermann Herbers

Heinz-Hermann Herbers, Geschäftsbereichsleiter Vertrieb Brief öffentlicher Sektor bei der Deutschen Post AG, stellte zum Thema „Fortschreitende Digitalisierung“ zwei gegenläufige Trends fest. Während sich die Nutzung sozialer Netzwerke wie beispielweise Facebook seit ihrer Gründung vor vier Jahren dramatisch gesteigert habe, sei eine Studie des DIVSI-Instituts zu einem überraschenden Ergebnis gekommen. Knapp 27 Millionen Menschen leben in Deutschland ohne ganz oder teilweise das Internet zu nutzen. Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass dies an einer erhöhten Vorsicht und sogar Skepsis gegenüber elektronischen Dienstleistungen liegt. Gleichzeitig habe sich das allgemeine Kommunikationsverhalten zugunsten elektronischer Kommunikation geändert. Das steigende Sicherheitsbedürfnis führt dazu, dass Bürger und Unternehmen von Verwaltungen immer stärker professionellere und kundenfreundlichere Services erwarten. Dagegen steht der enorme Kostendruck, der nach wie vor auf Verwaltungen lastet. Herbers glaubt, dass ein dringender Bedarf für effiziente, sichere und verbindliche Kommunikation im Internet bei allen Akteuren besteht. Hier setze die Idee des E-Postbrief der Deutschen Post AG an. Die Einsparpotenziale hinsichtlich der Briefkommunikation hat eine Studie des Fraunhofer Instituts untersucht. Sie lägen zu einem Drittel bei den Portokosten und zu zwei Dritteln bei den Prozesskosten. Eine DMS-Studie, die vor einiger Zeit in Nordrhein-Westfalen durchgeführt wurde, unterstützt diese These. Dabei wurde ein Projekt zur digitalen Postbearbeitung durchgeführt und die Einsparpotenziale errechnet. Durch die hybride Versandart über digitale Medien und klassischem Postversand, besteht für Städte und Gemeinden ab sofort die Möglichkeit, die Verwaltungsverfahren elektronisch durchzuführen und gleichzeitig alle Kunden zu erreichen. Interessante Anwendungsbeispiele seien derzeit in der VHS Fulda und im Landkreis Leipzig zu beobachten.

Dort wird der E-Postbrief, genau wie im Vogtlandkreis, über die kommunale Informationsverarbeitung Sachsen eingesetzt. Die inhaltlichen Schwerpunkte liegen in der Startphase des Projekts dabei in den Bereichen des Gewerbeamtes und der Bußgeldstelle. Herbers berichtete zugleich über das größte europäische Digitalisierungsprojekt mit der Bundesagentur für Arbeit. Dabei werden täglich mehr als 260.000 Postsendungen (rund 700.000 Blatt Papier), Bestandsakten bis zu 300 Mio. Seiten und durch schrittweise Abholung der Bestandsakten bei den 176 Arbeitsagenturen weitere Mio. Blatt digitalisiert.

Nach dem Digitalisieren mit Hochleistungsscannern werden die Dokumente der Bundesagentur in elektronischer Form wieder zur Verfügung gestellt. Diese Schriftgutdigitalisierung ist ein Teilprojekt in der agenturweiten Einführung der eAkte. Selbstverständlich seien die Sicherheit und der Datenschutz ein wesentlicher Bestandteil der entwickelten Lösung, so Herbers weiter.

Frank Schlosser

Frank Schlosser, Stellvertretender Geschäftsführer der KISA, berichtete in seinem Vortrag über die Erfahrungen mit der E-Poststelle im öffentlichen Sektor. Die Nachteile der herkömmlichen, etablierten Kommunikation seien dabei bekannt. Zwar sei der Papierweg ein bekannter und einheitlicher Prozess, ohne Medienbrüche und mit hoher Verbreitung. Er sei aber durch aufwändige und lange Laufwege, nur schwer beherrschbare Ablage, eingeschränkter Recherchemöglichkeiten und aufwändiger Archivierung demgegenüber mit sehr hohen Prozesskosten verbunden. Die elektronische Kommunikation, die sich unaufhaltsam auf dem Vormarsch befände, so Schlosser weiter, zeichne sich durch die Vorteile schneller Laufwege, Einfachheit und Flexibilität, komfortabler Recherchemöglichkeiten und perspektivisch hoher Akzeptanz aus. Dies bedeute gleichzeitig geringe Prozesskosten. Die Nachteile seien dabei, dass Medienbrüche weiterhin bestehen blieben, rechtliche Hürden vorhanden seien, es eine Vielzahl von Kommunikationsarten gebe und das Verbleiben eines Restanteils auf dem Papierweg. Das Ziel einer E-Poststelle sei es nun, den Postein- und Ausgangsprozess effektiver zu gestalten und eine Kanalbündelung zu erreichen. Die Vision sei dabei, dass jegliche eingehende elektronische Post über die E-Poststelle abgewickelt werden könne. Dabei würde eine automatische Registrierung vorgenommen, eine automatische Ermittlung des Empfängers erstellt und eine elektronische Weiterleitung erreicht. Des Weiteren beinhaltet die Vision, dass jegliche ausgehende Post elektronisch erstellt und an die E-Poststelle weitergeleitet wird. Auch hier laufen die Registrierung, die Festlegung der Versandart, der Versand, die Rückmeldung über den erfolgten Versand und den Eingang beim Empfänger automatisch ab.
In einem Pilotprojekt zur E-Poststelle mit den Kommunen des Vogtlandkreises und des Landreises Leipzig im vergangenen Jahr, konnte ein positives Fazit gezogen werden. Neben der Funktionalität und Praxistauglichkeit ergaben sich bei der Erprobung der Lösung auch mögliche Synergien unter den Städten und Gemeinden der Kreise. In der täglichen Verwaltungsarbeit ergaben sich erkennbar positive Auswirkungen. Es konnte eine erhebliche Zeitersparnis und damit eine Prozesskostenreduzierung festgestellt werden. Die Revisionssicherheit der Postbearbeitung konnte ebenfalls gewährleistet werden. Es erfolgte zudem eine automatisierte Füllung der elektronischen Akte. Die Anbindung von Softwarelösungen in Kommunikationskanälen erwies sich als einfach. Im Ergebnis konnte eine vollständige Harmonisierung der Postbearbeitung erreicht werden.

Dr. Sönke E. Schulz (Mitte)

In der abschließenden Podiumsrunde wurde unter der Moderation von Franz-Reinhard Habbel mit Heinz-Hermann Herbers, Peter Kühne, Frank Schlosser und Dr. Sönke E. Schulz, Geschäftsführer des Lorenz vom Stein Instituts für Verwaltungswissenschaften in Kiel, intensiv über die Entwicklungen rund um das eGovernment-Gesetz des Bundes diskutiert. Kühne wies im Zusammenhang mit der wiederholt als Haupthindernis für eine umfassende Digitalisierung bezeichneten sogenannten Schriftformerfordernis bei Verwaltungstransaktionen darauf hin, dass es sich in vielen Fällen tatsächlich eher um eine gefühlte Pflicht handele. 20 Verfahren seien kürzlich dahingehend untersucht worden und nur wenige davon wiesen tatsächlich ein Schriftformerfordernis auf, so Kühne weiter.
Bei der Regelung innerhalb des Gesetzes zu Sicherheit und Ablauf der elektronischen Kommunikation (de-Mail) empfahl Schulz dagegen, technologieneutral zu bleiben, da dies „zukunftsneutral“ sei. Trotzdem sei es aus Sicht des Verwaltungswissenschaftlers dringend notwendig, trotz aller Bedenken zügig ein eGovernment-Gesetz zu verabschieden.

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