Mit mehr Flexibilität den Kita-Ausbau voranbringen
Der im Handelsblatt-Online erschienene Artikel ist nachfolgend wiedergegeben:
Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, plädiert dafür, den von Sommer 2013 an geltenden Rechtsanspruch auf Betreuungsangebote für Kinder unter drei Jahren aufzuweichen. Er unterstützt damit eine Forderung der Städte in Baden-Württemberg, die sich dafür einsetzen, dass der Anspruch zunächst nur für zweijährige Kinder gilt und erst in einem nächsten Schritt auch auf einjährige Kinder ausgeweitet wird. „Die seitens des baden-württembergischen Städtetages geforderte Stufenlösung wäre ein richtiger Ansatz“, sagte Landsberg Handelsblatt Online.
„So könnte der Kita-Ausbau vorangetrieben und gleichzeitig der Gefahr begegnet werden, bei den betroffenen Eltern falsche Erwartungen zu schüren.“ Landsberg sagte allerdings auch, dass sich vor dem Hintergrund der anstehenden Wahlen im nächsten Jahr sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene wohl keine politischen Mehrheiten für eine schrittweise Einführung des Rechtsanspruchs finden würden.
Wie Landsberg hält auch der Oberbürgermeister von Tübingen, Boris Palmer (Grüne), eine Neujustierung des Kita-Rechtsanspruchs für sinnvoll. Für Tübingen habe das zwar keine Relevanz mehr, sagte Palmer Handelsblatt Online. Hier habe man eine Quote von 60 Prozent erreicht. Vereinbart ist zwischen Bund und Ländern eine Quote von 35 Prozent. Aber, so Palmer: „Für die vielen Städte, die heute aber keine Chance mehr haben, die fehlenden Plätze zu schaffen, ist der Vorschlag sachgerecht und vermeidet sinnlose Prozesse.“
Bund und Länder hätten zu lange mit finanziellen Zusagen gewartet. „Erst seit einem Jahr ist das in Baden-Württemberg gut geregelt. Das war zu spät“, sagte Palmer.
Landsberg schlägt „flexible Lösungen“ vor, die sich kurzfristig umsetzen ließen. Hierzu gehöre beispielsweise die kurzfristige Vergrößerung der Gruppen, aber auch das vorübergehende Aussetzen von gewissen baulichen Standards. Zu den flexiblen Lösungen zähle er zudem, die Betreuung durch Tagespflegepersonal weiter auszubauen. „Nicht überall wird es möglich sein, einen Ganztagesplatz zu gewähren, und die Eltern müssen sich darauf einstellen, dass sie nicht überall den Wunschkitaplatz um die Ecke erhalten können“, sagte Landsberg. „Insofern erwarten die Kommunen von Eltern auch eine gewisse Flexibilität.“
Auch die Wirtschaft, die ja vehement die jungen Frauen dränge, schnell wieder in den Beruf zurückzukehren, müsse sich viel stärker engagieren, sagte der Städtebund-Geschäftsführer weiter. Dazu gehöre der Ausbau bestehender Betriebskindergärten. „Zusätzlich sollten sich aber auch kleinere Unternehmen zusammentun und Tagesmütter oder Erzieherinnen fest anstellen“, sagte Landsberg. „So können sie für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Betreuung organisieren, ohne eine eigene Einrichtung unterhalten zu müssen.“
Für dieses Konzept spreche insbesondere, dass die Investitionskosten für einen Kitaplatz pro Kind im Schnitt 36.000 Euro plus 12.000 Euro Betriebskosten betrügen. Die Betriebskosten eines Platzes in der Tagespflege betrügen im Schnitt 7.500 bis 8.000 Euro jährlich.
Dessen ungeachtet versicherte Landsberg, dass die Städte und Gemeinden „mit ganzer Kraft“ den weiteren Ausbau der Kinderbetreuung betrieben, um den Rechtsanspruch zum 01. August 2013 erfüllen zu können. Die Städte und Gemeinden hätten schon viel geschafft, betonte er. Zurzeit liege das Betreuungsangebot schon bei 620.000 Plätzen. Das sei vor sechs Jahren noch unvorstellbar gewesen. „Dennoch zeichnet sich bereits heute ab, dass die Nachfrage in manchen Regionen nach Betreuungsplätzen – bei allen Anstrengungen – weit größer sein wird als das Angebot“, sagte Landsberg.