Geschäftsmacherei der Meldeämter gibt es nicht

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Bild: Pixelio/Eva-Maria Roßmann

Ein Ausverkauf der Daten fände nicht statt. Auch würden nicht alle Daten weitergegeben werden. Zudem gebe es für bestimmte Fälle Auskunftssperren. Landsberg plädierte für eine uneingeschränkte Widerspruchslösung bzw. für eine praxistaugliche Einwilligungslösung.

Nachfolgend ist das Interview im Wortlaut wiedergegeben. Es steht zudem zum Nachhören im MP3-Format unten auf dieser Seite zur Verfügung. 

Bettina Klein (Deutschlandfunk): Da gibt es offenbar gewisse Unstimmigkeiten innerhalb der CSU. Horst Seehofer, (…), der hofft, dass keine CSU-Abgeordneten an der neuen Fassung des Meldegesetzes dabei gewesen sind, und ein CSU-Innenpolitiker Uhl bei uns gestern im Deutschlandfunk, der genau das selbstverständlich bestätigt und der auch darauf hinweist, die Einwohnermeldeämter hätten selbst dafür plädiert, dass nun jeder Bürger Widerspruch einlegen muss - dagegen, dass seine Daten von der Stadt weitergegeben werden. Ob das so stimmt und wie es in der Praxis ablaufen könnte, das wollen wir jetzt wissen von Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes. Schönen guten Morgen!

Dr. Gerd Landsberg: Guten Morgen, Frau Klein.

Klein: Herr Landsberg, der CSU-Innenpolitiker Uhl spricht auch von einer hysterischen, abstrakten Diskussion über eine Gefahr, die es gar nicht gibt bei dieser aktuellen Fassung des Meldegesetzes. Sind auch Sie hysterisch?

Landsberg: Wir sind ganz sicherlich nicht hysterisch. Ich glaube aber, man muss zur Kenntnis nehmen, dass die Bürger in allen Bereichen, wo es um Daten geht, viel empfindsamer geworden sind. Wir haben z.B. die große Diskussion mit Google Street-View gehabt und deswegen hätte man hier vielleicht etwas vorsichtiger vorgehen sollen. Und ich muss auch sagen, natürlich waren wir als kommunale Spitzenverbände am Gesetzgebungsverfahren beteiligt. Aber dieser etwas dubiose Zusatz in dem § 44, der eingefügt wurde, wo es heißt, diese Widerspruchslösung gilt nicht, wenn die Daten ausschließlich zur Bestätigung oder Berichtigung bereits vorhandener Daten verwendet werden, dazu sind wir nicht angehört worden.

Klein: Uhl sagt nun aber, die Abgeordneten hätten sich bewusst mit Fachleuten aus den Einwohnermeldeämtern unterhalten und die hätten glaubhaft versichert, sie müssten bei jeder Anfrage den jeweiligen Bürger anschreiben und eine Einwilligung einholen. Das stimmt nicht?

Landsberg: Das kann durchaus stimmen. Ich kann auch nur den Gesetzgeber daran erinnern, die Beteiligungsrechte im Gesetzgebungsverfahren sind nicht Meldeämter, sondern die kommunalen Spitzenverbände. Wichtig ist allerdings auch, dass die Einwohnermeldeämter wohl gesagt haben, „wenn ihr die ursprünglich vorgesehene Einwilligungslösung macht, dann müssen wir ja jeden Einzelnen anschreiben.“ Und das ist natürlich ein Riesenaufwand. Das heißt aber nicht, dass sie gesagt haben, wir wollen eine eingeschränkte Widerspruchslösung.

Klein: Das hat Uhl wörtlich so auch nicht gesagt. Aber er hatte schon zu verstehen gegeben, dass man durchaus den Persönlichkeiten aus den Meldeämtern nachgekommen sei und dass die das praktisch aus der Praxis im Grunde genommen so befürwortet hätten. Das heißt, das stimmt nicht aus Ihrer Sicht?

Landsberg: Also, das kann ich nicht beurteilen. Ich kann nachvollziehen, dass das Meldeamt natürlich sagt, wir können doch nicht jeden Einzelnen anschreiben. Da ist übrigens noch einmal der Vorschlag gemacht worden, wenn ihr diese Einwilligungslösung mit dem Anschreiben machen wollt, dann mag doch der Adresshändler die Einwilligung besorgen. Das ist auch so diskutiert worden. Aber warum am Ende dann diese Widerspruchslösung mit dieser Einschränkung bezüglich der Aktualisierungen kam, das entzieht sich meiner Kenntnis.

Klein: Also gehen wir einmal auf die konkreten Inhalte ein, worum es dabei geht: Offensichtlich um eine Art von Personalmangel, die der CSU-Abgeordnete auch ins Feld führt, das sei in der Praxis nahezu unmöglich, wenn man daran denke, dass alleine in einer Stadt wie München ca. 100.000 Anfragen von Bürgern im Jahr kommen und das ist offensichtlich nicht praktikabel. Ist das auch Ihr Eindruck?

Landsberg: Das ist auch mein Eindruck und ich verstehe ehrlich gesagt nicht, warum macht man nicht das, was man bisher gemacht hat. Wir haben ja im Moment in 16 Bundesländern Meldegesetze. Und jedes Meldegesetz sagt, Weitergabe von Daten nur dann, wenn der Betroffene nicht widersprochen hat und zwar völlig egal, ob ich schon Vorkenntnisse habe, wo er früher gewohnt hat. Und ich finde, da sollte man diesen berühmten Zusatz in § 44 streichen und dann werden sich die Wellen auch wieder beruhigen. Man muss ja auch einmal klar machen, die Meldeämter geben ja nicht alle Daten preis. Also, was da teilweise in den Medien erzählt wird, ist nicht richtig. Weitergegeben wird die Anschrift, ggf. der Doktortitel und auch die Frage, ob die Person gestorben ist oder nicht. Aber alle anderen Informationen wie etwa Staatsangehörigkeit, Religionszugehörigkeit, die Zahl der Kinder oder Ähnliches wird natürlich nicht weitergegeben. Man sollte des Weiteren hinzufügen, dass es eine Sonderregelung in § 21 des Meldegesetzes gibt, da steht drin, wenn Gefahr für Leben und Freiheit droht, dann gibt es eine absolute Sperre, an die sich natürlich auch Meldeämter halten. Es ist also nicht so, dass hier der Ausverkauf von Daten stattfindet. Vielleicht das noch einmal. Das hat mich ehrlich gesagt geärgert, dass man in der Öffentlichkeit so tut „ach die Kommunen, die wollen mal wieder Kohle mit den Daten machen.“ Es sind pro Auskunft  im Schnitt 8 Euro und das ist eine Gebühr. Für Gebühren gilt das Kostendeckungsprinzip. Das heißt, damit werden die Unkosten der Bearbeitung abgedeckt. Zum Vergleich: Unter Adressenhändlern ist so ein Satz einmal locker 80 bis 100 Euro wert.

Klein: Wir halten fest: Sie können mit diesem Gesetz gut leben, wären aber auch dafür, dass die Fassung der Bundesregierung wieder in Kraft kommt und dass das jetzt über den Bundesrat auch geschieht, dass nämlich die Einwilligung des Bürgers jeweils immer eingeholt werden muss.

Landsberg: Wir wollen eine Änderung dieses Gesetzentwurfes durch den Bundesrat, weil wir sagen, das besondere Vertrauensverhältnis Behörde-Bürger darf noch nicht einmal anscheinsweise beschädigt werden. Das heißt, entweder Einwilligung oder uneingeschränkte Widerspruchslösung.

Klein: Und ein Argument war natürlich jetzt auch, wenn das wieder geändert werden sollte, dann sind wir noch einmal bei dem Punkt Personal. Die Länder würden sich noch wundern, wenn jetzt die Meldeämter bei den Innenministern sich melden würden und nach mehr Personal verlangten, sagte Uhl gestern. Wird das so kommen?

Landsberg: Das wird dann nicht kommen, wenn wir einfach das festschreiben, was jetzt in den Landesgesetzen gilt, nämlich, dass der Bürger widersprechen kann und dass es da keine Ausnahme gibt für die Adressenhändler. Das ist die jetzige Rechtslage, die allerdings in Nuancen von Land zu Land unterschiedlich ist. Und was wir bisher mit dem Personal geschafft haben, werden wir auch dann schaffen.

Klein: Sie haben es auch angedeutet, Herr Landsberg, dass Bürger eigentlich in den vergangenen Jahren ja sehr viel von sich freiwillig preisgeben und dass sozusagen die Weitergabe nicht das Problem durch die Meldeämter sei. Auf der einen Seite gibt es eine große Sensibilisierung, aber auf der anderen Seite sagt man auch, die Leute sind eigentlich viel großzügiger mit ihren Daten. Würden Sie da zustimmen?

Landsberg: Da würde ich zustimmen und ich sehe ein weiteres Missverhältnis. Der Bürger ist unendlich misstrauisch beim Staat, obwohl er es dort eigentlich gar nicht sein braucht. Und er ist sehr großzügig an der Tankstelle, bei privaten Unternehmen, bei der berühmten Payback-Karte. Nur das wird in der Öffentlichkeit aus meiner Sicht nicht richtig transportiert. Die Masse der Skandale, die wir in den letzten Jahren hatten, waren keine staatlichen Datenprobleme, sondern immer von privaten Unternehmen.

Klein: Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes zum neuen Meldegesetz und zu der Variante, die nun möglicherweise vom Bundesrat verabschiedet werden wird. Herr Landsberg, danke für das Gespräch!

Landsberg: Bitteschön, auf Wiederhören.


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