Gerade die vorgesehenen Entlastungen bei den Sozialausgaben - insbesondere der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen – seien für die Städte und Gemeinden eine Erleichterung. In einem überschaubaren Zeitraum könnten sich die Entlastungen und Unterstützungsmaßnahmen auch für den Bürger bemerkbar machen, wenn die Kommunen künftig mehr in bessere Schulen oder Kinderbetreuungsstätten investieren könnten. Landsberg betonte, dass die betroffenen Vereinbarungen kein Ergebnis eines Handels seien, sondern erforderlich sind, damit der EU-Fiskalpakt von Deutschland auch eingehalten werden könne.
Ina Namislo (MDR): Es ist ein langer und steiniger Weg, bis Deutschland seine Zustimmung zum europäischen Fiskalpakt gehen kann. Der Fiskalpakt der kommt ja nur, wenn sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat eine Zweidrittelmehrheit dafür stimmt. Die Bundesregierung musste also Überzeugungsarbeit in den vergangenen Monaten leisten. Erst bei den Oppositionsparteien und jetzt auch bei den Bundesländern. Berlin machte da jede Menge Zugeständnisse, vor allem finanzieller Art. Und das haben jetzt am Wochenende z. B. die Länder sehr wohl zu nutzen gewusst.
Niedersachsens Finanzminister der hat im Vorfeld schon gesagt, „im Grunde sind wir alle dafür, wir wollen alle zustimmen, jetzt geht es nur noch um den Preis“. Dr. Gerd Landsberg ist der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes und er ist uns jetzt live zugeschaltet. Herr Landsberg, ich nehme an, Sie sind zufrieden mit dem ausgehandelten Preis?
Dr. Gerd Landsberg: Wir sind sehr zufrieden mit dem ausgehandelten Preis. Er bietet die Chance, dass es den Kommunen endlich – nicht heute, aber jedenfalls in einem überschaubaren Zeitraum – gelingt, die Kommunalfinanzen in Ordnung zu bringen. Das ist auch für die Bürger gut, dann können wir mehr investieren, bessere Schulen haben und auch bessere Kindergärten.
Ina Namislo: Fassen wir noch einmal zusammen: Was haben die Kommunen denn da genau ausgehandelt?
Dr. Gerd Landsberg: Also zunächst einmal wird der Bund bei den Kosten der Grundsicherung – die hat er schon übernommen – schneller handeln. Das sind etwa 700 Millionen Euro. Dann wird er sich beim Nahverkehr weiter finanziell bei den so genannten Entflechtungsmitteln – so heißt das – engagieren, das sind etwa 450 Millionen Euro im Jahr. Er wird 580 Millionen zusätzlich in den Ausbau der Kitabetreuung investieren plus 75 Millionen jährliche Personalkosten. Und der letzte Punkt, das ist eigentlich für uns der wichtigste, wir zahlen ja als Kommunen, teilweise auch die Länder, im Jahr 13,8 Milliarden Euro für die so genannte Eingliederungshilfe für Behinderte. Wir haben immer gesagt, das ist keine kommunale Aufgabe, sondern eine gesamtgesellschaftliche, weil ja keine Stadt oder Gemeinde Einfluss darauf hat, ob jemand behindert ist oder behindert wird. Das ist jetzt erkannt worden. Das soll in ein so genanntes Bundesleistungsgesetz überführt werden. Und dann wird sich natürlich der Bund im deutlichen Maße beteiligen, so dass wir eigentlich schon sehr zufrieden sein können mit dieser Lösung. Wobei das nicht ein Aushandeln war. Es geht ja auch darum, nicht nur diesen Fiskalpakt zu schließen, sondern es geht auch um die Frage, können wir ihn denn einhalten? Und in der jetzigen Lage hätten wir ihn nicht einhalten können. Wir haben allein im letzten Jahr 6 Milliarden Euro zusätzliche Kassenkredite aufgenommen. Und nach dem Fiskalpakt dürfen Bund, Länder und Kommunen zusammen pro Jahr nur 14 Milliarden Euro neue Schulden machen, das heißt, nur mit unseren Kassenkrediten hätten wir dann schon fast 50 Prozent ausgeschöpft. Das konnte nicht funktionieren.
Ina Namislo: Was geht denn mit dieser ausgehandelten Einigung, was bis dato nicht ging. Welche Projekte können Sie jetzt wieder auf die Agenda heben?
Dr. Gerd Landsberg: Also wir können z. B. sagen, 518 Millionen. Euro Kitaausbau, das sind etwa 30.000 Plätze. Wenn das Geld schnell kommt, wird das auch schnell gehen. Die Planung beim Nahverkehr, wo die Mittel ja eigentlich 2014 auslaufen, da müssen neue Wagen bestellt werden, da müssen Trassen gelegt werden, das kann man jetzt konkret angehen. Und natürlich die Perspektive bei der Grundsicherung entlastet zu werden, wird natürlich bei den Kommunen auch eine andere Situation ergeben. Also die Kreisumlagen müssen dann eigentlich sinken und wir müssen natürlich auch darum kämpfen, dass das Geld tatsächlich bei den Kommunen ankommt und nicht bei den Ländern verbleibt.
Ina Namislo: Und der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, der hat ja schon so ein bisschen Bedenken. Kurt Beck, der hat gesagt, die Zugeständnisse sind ihm nicht konkret genug. Teilen Sie seine Befürchtung?
Dr. Gerd Landsberg: Die Befürchtung teile ich nicht. Man muss ja sehen, unter welchem enormen Zeitdruck wir stehen und in welchem Gesamtrahmen man das sehen muss. Es geht letztlich um die Rettung unserer Währung. Und dass man jetzt nicht ein detailliertes Gesetzgebungsverfahren da gleich zugrunde legt, das habe ich auch nicht erwartet. Und wenn Bund und Länder – das sind nun ja auch Verfassungsorgane, die sich auf so etwas verständigen, dann wird das auch kommen. Ich habe bisher nicht die Erfahrung gemacht, dass solche Zusagen nicht eingehalten wurden.
Ina Namislo: Der Bund war ja nun auf die Zustimmung der Länder zum Fiskalpakt angewiesen. Haben die Länder diese Notsituation ausgenutzt? Manche sprechen so ein bisschen von Erpressung, Herr Landsberg?
Dr. Gerd Landsberg: Also ich sehe das nicht so. Da wird ja auch von Basar gesprochen. Aber die müssen doch wissen, beim Fiskalpakt stehen Bund, Länder und Kommunen zusammen. Wir sitzen in einem Boot. Und wenn einer sagt, „mir geht es so schlecht, ich kann gar nicht rudern“, da muss man dem helfen. Das ist erkannt worden. Und das ist vielleicht auch eine neue Form der Zusammenarbeit, dass wir endlich begreifen, wir lösen in diesem Land nicht die Probleme, indem wir von einer auf die andere Ebene Lasten verschieben. Und das ist hier ein Stück zurückgedreht worden, das war ohnehin überfällig. Das hat den Fiskalpakt beschleunigt und das finde ich gut.
Ina Namislo: Die Kommunen und der Fiskalpakt. Gerd Landsberg war das, der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, hier im Interview mit MDR-Info. Vielen Dank.