Bundesumweltminister Dr. Röttgen hob die Energiewende als permanent gestaltungsbedürftigen Prozess, der sich nicht in einem einmaligen Akt erschöpfe, heraus. Insbesondere die Stromversorgung müsse auf eine neue ökonomische, ökologische und dezentrale Basis gestellt werden. Deren Umsetzung könne nicht ohne die Kommunen erfolgen und erfordere eine offensive Bürgerbeteiligung. Die Städte und Gemeinden seien auch hierbei entscheidende Akteure. Speziell über „Mehrwertmodelle“ wie über Energiegenossenschaften lasse sich eine höhere Akzeptanz vor Ort bei der Umsetzung der Energiewende herbeiführen. Insgesamt sollten die kontinuierlich fortzusetzenden Gespräche mit den Kommunen dazu dienen, die Chancen, aber auch die Probleme bei der Umsetzung der Energiewende zu identifizieren und einer Lösung zuzuführen.
Kommunen fordern „Masterplan“ zur Energiewende
Die Vertreter der Kommunen forderten von der Bundesregierung einen „Masterplan“ zur Energiewende. Mit der Verabschiedung der „Energiegesetze“ im Sommer 2011 sei es jedenfalls nicht getan. Kommunen und Bundesregierung müssten vielmehr gemeinsam eine Plattform schaffen, in der die Umsetzung der Energiewende kontinuierlich begleitet werde. Aktuelles Problem sei der stockende Netzausbau, der insbesondere auch die Verteilnetze, über die ca. 80 % der erneuerbaren Energien eingespeist würden, betreffen. Wenn bei den Verteilnetzen eine Investitionsförderung erst nach sieben Jahren möglich sei, werde der dringend benötigte Ausbau, insbesondere über die Stadtwerke, nicht gelingen.
Die Kommunalvertreter forderten nachdrücklich, auch den Ausbaubedarf der Fernleitungstrassen durch die Förderung von Speichertechnologien und durch eine Steuerung der Nachfrage durch intelligente Stromnetze (smart grids), zu reduzieren. Entscheidend komme es darauf an, dass die Belastungen, die etwa durch den Netzausbau in Regionen und Kommunen entstehen, auch durch einen entsprechenden Mehrwert und Gewinn in der gleichen Region ausgeglichen werden.
Gerade im Hinblick auf eine zukunftssichere Energieversorgung komme innovativen Modellen und neuen Technologien eine wesentliche Bedeutung zu. Hier seien insbesondere Anstrengungen der Bundesregierung und der Forschung gefragt. Dabei gehe es etwa darum, Energie (Strom) in Gas umzuwandeln, um bestehende Infrastrukturleitungen zu nutzen. Es sei jedenfalls unsinnig, wenn etwa die in Deutschland erzeugte Windenergie vor Ort mangels Einspeisungsmöglichkeit nicht genutzt und nach Polen oder Österreich exportiert werden müsse, um anschließend Strom von tschechischen Atomkraftwerken zu importieren.
Insgesamt bestand Einigkeit, dass die Städte und Gemeinden und ihre Bürger eine Schlüsselrolle bei dem noch erforderlichen Netzausbau und dessen Akzeptanz vor Ort haben. Hier komme es entscheidend darauf an, dass die Kommunen, die Bürger und die Eigentümer vor Ort an der Wertschöpfung beteiligt werden und die Planungshoheit der Städte und Gemeinden als bürgernächste Ebene umfassend gewährleistet ist. Dem entsprechen nach Aussagen der Kommunalvertreter die gegenwärtigen Vorgaben im Netzausbaubeschleunigungsgesetz nicht: Zum einen trage eine Bündelung und alleinige Planung durch die Bundesnetzagentur die Gefahr der Beeinträchtigung der kommunalen Planungshoheit in sich. Zum anderen reiche die vorgesehene freiwillige Zahlung der Netzbetreiber an Gemeinden bis zu 40 000 Euro pro Kilometer nicht aus, die notwendige Akzeptanz vor Ort sicher zu stellen.
Die kommunalen Vertreter sprachen zudem als Hemmnis für den Ausbau der Windenergie überzogene Anforderungen an den Artenschutz an. Hier bestehe unzweifelhaft ein Spannungsverhältnis mit dem Ziel einer beschleunigten Energiewende.
In einem weiteren Punkt mahnten die Kommunalvertreter an, eine frühe Bürgerbeteiligung beim Netzausbau verpflichtend vorzusehen. Der vom BMWi am 09. Januar 2012 vorgelegte Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Öffentlichkeitsbeteiligung und zur Vereinheitlichung von Planfeststellungsverfahren genüge mit seiner „fakultativ-frühzeitigen Bürgerbeteiligung“ diesen Erfordernissen nicht.
Einigkeit bestand, dass insbesondere die Themen Speicherung von Energie sowie Umwandlung (Bsp.: Power to gas), also etwa die Umwandlung von Strom in Gas für die nächsten zehn Jahre zentrale Forschungsthemen bleiben.
Energetische Gebäudesanierung
Die Kommunalvertreter betonten den besonderen Stellenwert der energetischen Gebäudesanierung. Wenn im Gebäudesektor der Energieverbrauch ca. 40 % des Gesamtenergieverbrauchs ausmache, muss insoweit in der Politik und auch der Förderung durch die Bundesregierung hierauf ein besonderer Fokus gelegt werden. Die aktuelle Ausgestaltung des Energie- und Klimafonds beinhalte aber für die Kommunen mit ihren insgesamt ca. 176 000 Gebäuden keine Planungssicherheit. Grund ist, dass die Ausstattung dieses Fonds sehr schwankend ist und insbesondere vom Verkauf aus CO2-Zertifikaten abhänge. Hier sei aber der Preis von 17 Euro pro Zertifikat im Jahre 2011 auf 7 Euro gefallen. Die Vertreter der Kommunen forderten daher eine direkte und unmittelbare Förderung sowie ein festes Programmvolumen für die Kommunen zur Gewährleistung der Planungssicherheit für die Städte und Gemeinden.
Bundesumweltminister Dr. Röttgen appellierte umgekehrt an die Städte und Gemeinden, den Widerstand bei dem Gesetz über die „steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung“ aufzugeben. Das Gesetz liege nach wie vor im Vermittlungsausschuss. Bei dessen Verabschiedung würde allerdings eine Anstoßwirkung von 1:8 an Investitionen, insbesondere zugunsten des örtlichen Handwerks ausgelöst. Dies komme über Steuereinnahmen den Kommunen zugute.
Bundesumweltminister Dr. Röttgen und die Vertreter der Kommunen vereinbarten eine Fortführung der Gespräche. Konkret abgesprochen wurde die Einrichtung einer kommunalen Plattform zur Energiewende. Die Vertreter der Kommunen drängten nachdrücklich auf eine Konzentration der Zuständigkeiten bei der Bundesregierung (Masterplan) zu allen mit der Energiewende zusammenhängenden Themen. Gegenwärtig bestehe vielfach der Eindruck einer mangelnden Koordination und Abstimmung. Gerade beim Vollzug der Energiewende sei aber ein konzertiertes Vorgehen unabdingbar.
(Norbert Portz)