Frage: Herr Habbel, nun liegt der Kabinettsentwurf zur TKG-Novelle auf dem Tisch, der bis Mitte des Jahres vom Deutschen Bundestag beschlossen werden soll. Setzt das Gesetz aus Ihrer Sicht neue Impulse für den Breitbandausbau?
Franz-Reinhard Habbel: Der Kabinettsentwurf weist sicher in die richtige Richtung. Der Rahmen war ja durch die EU-Richtlinie von 2009 bereits vorgegeben. Dennoch hätten wir uns in einigen wichtigen Punkten mehr erhofft. Einer der zentralen Punkte dieser Richtlinie ist die investitionsfreundliche Regulierung, um den Breitbandausbau voranzubringen. Einige Punkte der TKG-Novelle, wie etwa das Aufgreifen des auch von uns schon seit langem geforderten Risikoteilungsmodells bei Investitionen, sind aus unserer Sicht zu begrüßen. Bei anderen wichtigen Punkten ist man aber auf halbem Weg stehen geblieben und das ist mit Blick auf den dringend notwendigen Breitbandausbau sehr schade.
Frage: Wieso ist denn das Gesetz für den Breitbandausbau überhaupt von so großer Bedeutung?
Habbel: Die Ziele der Bundesregierung sind ja hinlänglich bekannt: 75% der Haushalte in Deutschland sollen bis 2014 mit 50 MBit/s versorgt werden. Und wir sagen ganz deutlich: 75 % der Haushalte reichen nicht aus, wir brauchen eine flächendeckendes Hochgeschwindigkeitsnetz im Bereich von 100 MBit/s. Sonst droht eine digitale Spaltung des Landes, die ländlichen Regionen bleiben auf der Strecke. Das ist nicht hinnehmbar. Und um dieses Ziel zu erreichen, brauchen wir das Engagement aller Akteure. Die Unternehmen müssen zu einem überwiegenden Teil für die immensen Investitionskosten aufkommen. Dazu müssen die Rahmenbedingungen vom Gesetzgeber aber auch so ausgestaltet werden, dass diese Investitionen tatsächlich getätigt werden.
Frage: Sie sprechen die Investitionskosten an. Wie hoch werden diese sein?
Habbel: Da gehen die Schätzungen auseinander. Der flächendeckende Ausbau von Hochgeschwindigkeitsnetzen dürfte 40-50 Milliarden Euro kosten. Deshalb ist es auch so wichtig, Synergien beim Infrastrukturausbau zu nutzen und alle Kostensenkungspotentiale auszuschöpfen.
Frage: Dann ist es also ein richtiger Ansatz, wenn in dem Kabinettsentwurf die Verpflichtung enthalten ist, dass alle zum Breitbandausbau nutzbaren Infrastrukturen, z. B. Kabelkanäle und bereits vorhandene Leerrohre, offengelegt werden müssen?
Habbel: Natürlich ist die Mitnutzung vorhandener Infrastrukturen von zentraler Bedeutung. Allerdings geht der vorgelegte Entwurf meiner Meinung nach hier noch nicht weit genug. Es wäre wichtig, einen Mitnutzungsanspruch für ausbauende Unternehmen direkt im TKG zu verankern und diesen auf alle Infrastrukturträger aus dem öffentlichen und dem privatwirtschaftlichen Bereich auszudehnen. Dies würde dann beispielsweise auch für den Energie- oder den Verkehrsbereich gelten. Wir brauchen hier möglichst bald eine tragfähige gesetzliche Regelung. Dieser Bereich sollte im TKG zukünftig eindeutig geregelt sein.
Frage: In welchen Punkten sehen Sie weiteren Optimierungsbedarf?
Habbel: Ganz wichtig ist, dass die Unternehmen, die sich für den Breitbandausbau engagieren, Planungssicherheit bekommen. Sie müssen genau wissen, unter welchen regulatorischen Bedingungen sie investieren. Wir sprechen ja nicht nur von den großen Konzernen, sondern auch von kleineren, regionalen Anbietern. Viele Stadtwerke engagieren sich mittlerweile sehr stark und investieren in moderne Glasfaserinfrastrukturen.
Frage: Und die von Ihnen geforderte Planungssicherheit bietet der vorliegende Entwurf nicht?
Habbel: Nicht in ausreichendem Maße. Die Unternehmen, ob nun Konzerne oder Stadtwerke, sollten bei der Bundesnetzagentur einen konkreten und verbindlichen Bescheid über die jeweiligen Regulierungsauflagen im Ausbaugebiet beantragen können. Dann haben sie eine belastbare Grundlage, auf der sie ihre Ausbauplanung vornehmen können.
Frage: Stichwort Regulierung. Sehen Sie in der im Entwurf der TKG-Novelle vorgeschlagenen Berücksichtigung der regionalen Marktverhältnisse einen richtigen Ansatz?
Habbel: Die regionalen Marktverhältnisse in die Regulierung aufzunehmen halte ich zunächst einmal für richtig. Schließlich existieren heute schon Regionen, in denen sich zahlreiche Unternehmen den Markt teilen, während sich in anderen Gebieten niemand findet, der bereit ist, auszubauen. Ich hätte mir allerdings gewünscht, dass eine Wettbewerbsanalyse und eine regionale Marktbetrachtung verbindlich festgeschrieben werden würde.
Frage: Wieso ist das aus Ihrer Sicht denn bedeutsam?
Habbel: Zunächst einmal wird eine Überrregulierung dort vermieden, wo es Wettbewerb gibt. Außerdem kann damit erreicht werden, dass keine regionalen Monopole entstehen und die Netze der nächsten Generation miteinander kompatibel sind. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass viele Investoren nur in bestimmten Gebieten aktiv sind und dort Glasfasernetze aufbauen. Es wird bei diesen neuen Netzen keine bundesweit einheitliche Infrastruktur mehr geben. Die Bürgerinnen und Bürger wollen aber zwischen mehreren Anbietern wählen, daher ist dem Grundsatz des „open access“ eine so hohe Bedeutung beizumessen.
Frage: Zum Schluss noch ihre Prognose. Wie wird sich die Versorgungslage mit Hochgeschwindigkeits-Breitband weiter entwickeln?
Habbel: Mittel- und langfristig wird an einer flächendeckenden Glasfaserversorgung kein Weg vorbeiführen. Allerdings gilt es auf diesem Weg noch viele Hürden zu überwinden. Hier geht es um ein ganzes Bündel von verschiedenen Sachfragen. Nur ein Beispiel: Wenn wir wirklich eine „Fibre To the Home“-Lösung, also Glasfaseranbindung bis in die Wohnung, wollen, muss die Frage geklärt werden, wie die Nutzungsverträge zwischen den Unternehmen, die diese Infrastruktur verlegen, und den Hauseigentümern ausgestaltet sind. In den ersten Pilotprojekten zeigt sich zudem, dass es für die Telekommunikationsunternehmen ein langwieriger Prozess sein kann, die Hauseigentümer überhaupt zu ermitteln. Diese müssen schließlich gefragt werden, ehe sie den Glasfaseranschluss ins Haus gelegt bekommen. An diesem Punkt leisten auch die Städte und Gemeinden einen Beitrag, indem sie sich besonders kooperationsbereit zeigen. An solchen vermeintlichen Kleinigkeiten darf es aber nicht scheitern. Dafür ist die flächendeckende Versorgung mit Glasfaser zu wichtig. Außerdem ist offen, welche Branchen überhaupt den Markt bedienen werden. In den Startlöchern stehen ja nicht nur Telekommunikationsunternehmen sondern auch z. B. Energieversorger oder völlig neue Dienstleister von Mobilität im weitesten Sinne. Alles ist in Bewegung.