NDR Info Radio:
Fünf Euro mehr, das macht 364 Euro im Monat. Das soll er sein, der neue Hartz-IV-Regelsatz für Erwachsene, der nach heftigen Debatten von Union und FDP im Bundestag beschlossen worden ist. Für Kinder von Langzeitarbeitslosen ist ein so genanntes Bildungspaket geplant. Es gibt Zuschüsse für Vereinsbeiträge oder Musikunterricht. Noch muss das Gesetz aber durch den Bundesrat. Kritik gibt es reichlich. Vor allem von Sozialverbänden und der Opposition. Aber auch der Deutsche Städte- und Gemeindebund ist nicht glücklich. Er guckt auf das Geld und befürchtet erhebliche Mehrkosten durch die Hartz-IV-Reform.
Ich habe den Hauptgeschäftsführer, Gerd Landsberg gefragt, was denn auf die Städte und Gemeinden zukommt.
Dr. Landsberg:
Nach unseren Schätzungen kommt auf die Städte und Gemeinden ein jährlicher Mehrbetrag von etwa 300 Mio. Euro zu, das liegt nicht nur an der geringfügigen Erhöhung des Regelsatzes, sondern hängt damit zusammen, dass im Zuge dieses Gesetzgebungsverfahrens der Bund einige Leistungen gestrichen hat. Er hat z. B. die Heizkostenpauschale gestrichen, er hat das so genannte Kinderwohngeld gestrichen, er wird in Zukunft nicht mehr für die Erwerbslosen in die Sozialversicherung einzahlen, was dann wiederum Auswirkungen hat, wenn Menschen später Grundsicherung bekommen. Das schätzen wir etwa summa summarum auf etwa 300 Mio. Euro pro Jahr und da sagen wir, dass das der Bund kompensieren muss. Wenn er eine solche Gesetzesvorlage auf den Weg bringt, muss er dafür sorgen, dass das jedenfalls für die kommunale Seite kostenneutral läuft.
NDR-Info:
Welche Signale gibt es denn da vom Bund?
Dr. Landsberg:
Bisher sind die sehr verhalten, allerdings wird vom Bund schon akzeptiert, im Rahmen der Gemeindefinanzkommission, dass die Kommunen von den immensen Soziallasten – das sind ja insgesamt in diesem Jahr 42 Milliarden Euro – dass da eine Entlastung erfolgen muss, weil wir im großen Umfang Aufgaben wahrnehmen, die eigentlich keine kommunalen Aufgaben sind. Das beste Beispiel ist die Grundsicherung. Das heißt, wenn ein Mensch 65 Jahre alt ist, und gar keine Rente hat oder eine Rente hat und diese sich nur auf Sozialhilfeniveau bewegt, dann bekommt er 25 % obendrauf.
NDR-Info:
Aber woher soll das Geld denn kommen, Herr Landsberg?
Dr. Landsberg:
Das muss ganz eindeutig aus dem Bundeshaushalt kommen oder aus Steueraufkommen, denn man muss fairerweise sagen, etwa die Alterssicherung ist ja eigentlich eine Frage der Rentenversicherung. Aber ganz sicherlich keine kommunale Aufgabe.
NDR-Info:
Halten Sie denn diese Reform für grundsätzlich richtig?
Dr. Landsberg:
Ich halte die Reform für richtig. Ich halte auch die Kritik teilweise für unsachlich. Da werden ja auch Zahlen genannt, die so gar nicht stimmen. Natürlich wird „nur“ um 5 Euro erhöht, und dann ist immer der Betrag von 364 Euro jetzt im Gespräch. Da wird natürlich vergessen, dass der Erwerbslose die Krankenversicherung bekommt, die Pflegeversicherung bekommt und die gesamten Unterkunftskosten bekommt. Und das ist bei einem Alleinstehenden im Durchschnitt ein Betrag von 801 Euro im Monat. Bei einem Ehepaar mit zwei Kindern sind es schon 1.866 Euro im Monat. Da kann man sagen, das müsste mehr sein, aber man muss natürlich auch ein bisschen auf die Menschen schauen, die 40 Stunden die Woche arbeiten und häufig dann auch nicht mehr haben.
NDR-Info:
Die Bundesregierung will ja die Situation der Kinder von Hartz-IV-Empfängern verbessern. Es gibt Geld dafür in diesem Bildungspaket. 740 Millionen Euro. Was halten Sie denn davon, das Geld über die Job Center zu leiten und die Förderung der Kinder in die Hände ohnehin überforderter Mitarbeiter zu legen?
Dr. Landsberg:
Also, eigentlich halte ich das Konzept für richtig. Wir haben immer gesagt, wir brauchen mehr Sachleistungen. Das Problem bei den Kindern ist ja nicht so sehr immer das Geld der Eltern, sondern der Zugang zu Bildungseinrichtungen, wie z. B. zur Musikschule, zum Verein, zum Förderunterricht. Und es gibt ja europäische Vergleiche etwa mit Skandinavien, wo man sehr viel mehr auf Sachleistungen setzt, mit dem Erfolg, die geben dort weniger Geld aus und haben trotzdem weniger Kinderarmut. Die Organisation ist eine andere Frage. Sicherlich sind die Mitarbeiter im Job Center auf so etwas überhaupt nicht vorbereitet und sie werden dafür auch nicht geschult. Jedenfalls noch nicht. Das ist letztlich eine kommunale Aufgabe. Ich glaube, wir bekommen das mit den Job Centern hin. Zurzeit arbeiten wir an einem Mustervertrag. Die Kommune weiß, welche Vereine gibt es. Sie hat auch jetzt schon viele Erfahrungen. Es gibt viele Städte, die für diese Kinder schon Programme auflegen. Da ist die Familienkarte in Stuttgart genannt worden. Das ist auch nur ein Beispiel. Nach unseren Erhebungen gibt es über 200 Städte, die natürlich mit unterschiedlichem Leistungsumfang genau dieses tun und ich glaube, das ist ein richtiger Ansatz. Wir müssen viel mehr für die Einrichtungen und für den unmittelbaren Zugang tun als immer mehr Transferleistungsgeld zu bezahlen.
(Quelle: NDR Info Radio, 04.12.2010)