Als Kurator der Stiftung begrüßte Prof. Dr. Wolf-Dieter Lukas, Bundesministerium für Bildung und Forschung, den wichtigen Impuls der jährlichen Tagung „Sicherheitskommunikation“ für die Ausgestaltung von Diensten und Infrastrukturen für alle Belange der Sicherheitskommunikation, von der „verlässlichen technischen Verfügbarkeit“ bis hin zu den „gesellschaftlich und rechtlich erforderlichen Schutzmechanismen für Nutzer“. Noch seien am Standort längst nicht alle Fragen an die öffentliche Forschung gestellt, obwohl jedermann seit langem klar sei, dass es in der vernetzten Welt mehr Aufgaben gibt, als selbst die internationalen privaten Anbieter leisten können. Er rief die Forschung auf, gerade für anstehende neue Netzarchitekturen wie Smart Grid oder Cloud Computing zu forschungsbasierten Empfehlungen für die Praxis in Gesetzgebung und Wirtschaft zu kommen.
Dipl.-Ing. Hans Meierhofer, Bundesnetzagentur, berichtete über eine Aktualisierung der Technischen Richtlinie Notrufverbindungen (TR Notruf), die folgende Ziele verfolgt:
- 112 überall in Europa (gebührenfrei)
- Netzbetreiber und Telefondiensteanbieter müssen Zugang zum Notruf gewährleisten
- angemessene Behandlung des Notruf
- gleichwertiger Zugang zum Notruf für Behinderte
- Übermittlung der Standortinformationen (gebührenfrei)
- Genauigkeit und Zuverlässigkeit der Standortinfo sollen festgelegt werden.
Bei Bedarf würden die Bundesnetzagentur technische Maßnahmen festgelegen und parlamentarische Diskussionen bei Novellierungen von TKG u. NRV unterstützen.
Unter Moderation von Dr. Wolfram Geier, Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, diskutierten Experten aus Politik, Wissenschaft und Praxis zum Tagungsthema „Sichere Kommunikation in Städten und Gemeinden“.
Claudia Keller, Referentin für Innen- und Rechtspolitik bei der FDP-Bundestagsfraktion, referierte über die Verantwortung von Bund, Land und Kommune im föderalen System und brachte die Erkenntnisse des „Zukunftsforums öffentliche Sicherheit“ ein, das zur Sicherheitskommunikation konkrete Vorschläge erarbeitet hat (z.B. zur Außenkommunikation „mit einer Stimme“ im Krisenfall). Auch vor Krisen müsse die Bevölkerung zielgruppenorientiert erreicht werden, damit Bevölkerungsschutz effektiver wird.
Hans-Jürgen Hohnen, Staatssekretär a.D., betonte, dass Bevölkerungsthemen in Deutschland trotz Föderalismus weitgehend im Konsens geregelt werden konnten und dass die Herausforderung für die Leitstelle weniger in der Gesetzgebung, sondern vielmehr darin liege, sich gleichermaßen für den Alltag wie für den Krisenfall optimal aufstellen zu müssen. Die personelle und sächlich Ausstattung sowie die Schulung müsse die Krisensituation hinreichend vorbereiten. In der Leitstelle müssen Fragen zum Übergang in die Stabslage, die Stabsgliederung, die Nutzung von Fachleuten und Verbindungen sowie Einzelfragen von der Dokumentation über die Besucherbetreuung bis zur Nachbetreuung vorab geklärt sein.
Prof. Dr. Georg Ruhrmann, Universität Jena, erörterte Grundlagenfragen zur
Risikokommunikation und plädierte für einen Ausbau der diesbezüglichen Forschung, denn die Bewältigung einer Krisenlage sei ein „zutiefst sozialer Prozess“, bei dem die Medienberichterstattung in der Regel krisenverstärkend wirke. Ferner hänge die Bewältigung der Krise oft davon ab, wie gut die Bevölkerung auf ein „Leben mit Unsicherheit“ vorbereitet worden sei. So stehe im Vordergrund seiner Forschung die Risikokommunikation im Vorfeld und nicht die Verfügbarkeit technischer Geräte im Krisenfall.
Albrecht Broemme, Präsident der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk, hob in seinem Statement die Erfolge des zwanzigjährigen Prozesses zur europaweiten Einführung der 112 hervor und forderte, dass der Umgang mit dem Notruf auch bei uns immer wieder geschult wird. Diverse Medien und Aktionen machen sich stark für die Verbreitung des Wissens um die adäquate Notrufmeldung und auch die Mitarbeiter in den Leitstellen würden immer besser geschult, insbesondere auch, um Notrufe von Menschen entgegen nehmen zu können, die nicht der deutschen Sprache mächtig sind. Dennoch könnte noch mehr - auch von kommunaler Seite - getan werden. So plädierte THW-Präsident Broemme dafür, in den Warteräumen der Bürgerämter diesbezügliches Info-Material auszulegen und die Erreichbarkeit des Bürgermeisteramtes auch am Wochenende zu verbessern. Im Krisenfall gehöre regelmäßig der Bürgermeister zu den Personen, die zu allererst angesprochen würden.
Unter Moderation von DStGB-Sprecher Habbel kamen weitere Praktiker zu Wort, die innovative Vorschläge zum Bevölkerungsschutz präsentierten. So stellte Knut Schneidemesser, Bosch Sicherheitssysteme GmbH, die Praxis einer Notruf-Clearingstelle vor, die im Falle einer Störung des Zugangs zur Leitstelle als „redundantes Element“ eingreifen und durch Vermeidung von Routineaufgaben zu einer Entlastung der Leitstelle beitragen könne. Stephan Boy, Kompetenzzentrum Kritische Infrastrukturen KKI e.V., berichtete von der Initiative seines Vereins, der Beteiligte zu Fragen der Notfallabwehr an einen Tisch gebracht und dort das Konzept eines Kommunalrufs für Ordnung und Sicherheit erarbeitet habe, der ganzjährig rund um die Uhr zu Fragen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erreichbar ist. Heinz Georg Kuhlemann, Menden/Lendringsen, berichtete von einer zusammen mit Einzelhandel und Hilfsorganisationen durchgeführten „Sicherheitswoche“, die unter dem Motto „Sicherheit für daheim und unterwegs“ im Februar 2011 dabei half, die Bevölkerung von Lendringsen für Sicherheitsfragen zu sensibilisieren. Anlass war der Tag zum „EU Notruf 112“, der am 11. Februar zu diversen Informationsaktivitäten geführt hat und als Pilotprojekt für andere Gemeinden anzusehen ist, aktiv vor Ort zu einer bunten Woche mit allerlei Nützlichem sowie zur Mitarbeit in den Hilfsorganisationen zu animieren (www.agenda112.eu).
Nachdem die 11. DStGB-Sicherheitskonferenz erfolgreich verlaufen ist, soll Mitte Juni 2012 die nächste Konferenz aus dieser Reihe stattfinden.
Weitere Infos
- DStGB-Schwerpunkt "Sicherheit und Kommunen"
- "Bedeutung der Notfallkommunikation in Deutschland – Einführung in das Thema", Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Dombrowsky, Steinbeis-Hochschule Berlin (PDF, 600 KB)
- "Stand der Umsetzung von eCall", Thomas R. Haub, European Commission, Brüssel (PDF, 4,7 MB)
- "Technische Richtlinie Notrufverbindungen – Die Umsetzung europäischer und nationaler Vorgaben", Dipl.-Ing. Hans Meierhofer, Bundesnetzagentur, Bonn (PDF, 250 KB)
- "Leitstellen im Spannungsfeld zwischen Alltag und Krisenlage", Hans-Jürgen Hohnen, Staatssekretär a.D., Berlin (PDF, 4,6 MB)
- "Risikokommunikation – Perspektiven der Grundlagenforschung", Prof. Dr. Georg Ruhrmann, Universität Jena (PDF, 61 KB)
- "Clearingstelle Notruf- und Brandmeldungen", Knut Schneidemesser, Bosch Sicherheitssysteme GmbH, Produktbereich Gebäudesicherheit (PDF, 1,3 MB)
- Teilnehmerunterlage "Clearingstelle für Notruf- und Brandmeldungen", Knut Schneidemesser, Bosch Sicherheitssysteme GmbH, Produktbereich Gebäudesicherheit (PDF, 19 KB)
- "Kommunalruf für Ordnung und Sicherheit", Stephan Boy, Kompetenzzentrum Kritische Infrastrukturen KKI e.V., Berlin (PDF, 1,5 MB)
- "Die Sicherheitswoche: „Sicherheit daheim und unterwegs“", Heinz Georg Kuhlemann, ProSOS, Menden/Lendringsen (PDF, 1,4 MB)