Deutschlandradio Kultur: Bürgerinitiativen wenden sich nicht nur gegen die Wasserversorgung durch private Anbieter. Auch Strom- und Gasversorgung wurden privatisiert und auch daran stören sich viele. Und es geht nicht nur um die Hauptstadt. Auch andere Kommunen wollen die Energieversorgung wieder in ihre Hand bringen. Am Telefon ist jetzt der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Dr. Gerd Landsberg. Herr Dr. Landsberg, können Sie diesen Trend hin zur Rekommunalisierung bestätigen?
Dr. Landsberg: Diesen Fall kann ich ganz eindeutig bestätigen und auch mit Zahlen belegen, z. B. in den letzten vier Jahren haben die Kommunen 100 sog. Konzessionen zurückgekauft oder zurückgewonnen, um dann eben selber einzusteigen in Energieversorgung oder Gasversorgung und dieser Trend ist ungebrochen. Der wird sich aus meiner Sicht auch verschärfen, weil in den nächsten Jahren weit über 2000 Konzessionsverträge auslaufen, so dass Kommunen dann die Chance haben, hier erneut zuzugreifen.
Deutschlandradio Kultur: Waren die Verkäufe an private Unternehmen, die viele Städte in den 1990-er Jahren getätigt haben, denn dann immer Fehler?
Dr. Landsberg: Das würde ich so nicht sagen. Ich würde auch nicht sagen, dass es in jedem Fall richtig ist, jetzt eine Privatisierung rückgängig zu machen und um das in eigene Hand zu nehmen. Wir sagen, dass das vor Ort entschieden werden muss, aber es ist ein Trend. Wir hatten früher die Bewegung: „Was interessiert mich, woher der Strom kommt - Hauptsache er ist preiswert.“ Jetzt sieht das ganz anders aus. Die Kommunen wollen mit gestalten, wollen natürlich auch Arbeitsplätze vor Ort binden, wollen eine Wertschöpfung vor Ort und - das ist eine der Haupttriebfedern - vor dem Hintergrund der dramatischen Finanzlage der Kommunen will man natürlich jedenfalls in diesem Bereich noch etwas bewegen. Ich glaube, gerade das ist der zentrale Punkt. Es kommt ein Weiteres hinzu: Die Bürger haben ein großes Misstrauen vor dem Hintergrund der Finanz- und Wirtschaftskrise gegenüber großen Einheiten, großen Unternehmen entwickelt. Das ist sicherlich nicht immer gerechtfertigt, aber das ist die Tendenz, so dass die Bereitschaft der Bürger, eine solche Ratsentscheidung mitzutragen, sehr groß ist.
Deutschlandradio Kultur: Bleiben wir noch mal bei Ihrem ersten Punkt: Den knappen Kassen der Kommunen. Haben die Städte und Gemeinden denn überhaupt das Geld solche Rückkäufe zu tätigen?
Dr. Landsberg: Das Geld haben sie in der Regel nicht. Sie müssen einen Kredit aufnehmen, aber das ist sicherlich auch ein wichtiger Aspekt: Die Kommunalkredite, wie ja alle Kredite auch für den Privatmann, sind im Moment relativ günstig und es gibt auch viele Beispiele, wo man zwar einen Kredit aufnehmen musste, für den man natürlich Zinsen bezahlt und trotzdem damit einen ganz guten Schnitt gemacht hat. Also auch das Zinsniveau spricht im Moment eher für als gegen eine Rekommunalisierung.
Deutschlandradio Kultur: Warum haben sich so viele Kommunen denn in den 1990-er Jahren überhaupt darauf eingelassen, auf diese kurzfristigen Gewinne, die sie durch die Verkäufe bekommen haben. Waren sie so kurzsichtig?
Dr. Landsberg: Ich glaube nicht, dass sie kurzsichtig waren. Es war einfach ein Zeittrend. Die Finanzlage, das muss man sagen, war damals auch nicht besonders rosig und es war natürlich häufig auch verlockend, auf einen Schlag mit einer Entscheidung Hunderte von Millionen - in großen Städten vielleicht sogar noch mehr - zu bekommen. Und wie ich schon gesagt habe, das Interesse der Bürger sich wirtschaftlich zu engagieren oder dass ihre Stadt sich wirtschaftlich engagiert, war nicht so ausgeprägt, wie das heute ist. Insofern haben wir insgesamt, finde ich, in Deutschland einen Trend, dass die Kommunen mehr für ihre Bürger tun wollen und die Bürger aber auch mehr von der Kommune erwarten und da kommen natürlich solche Projekte gerade zu gelegen.
Deutschlandradio Kultur: In Berlin ist aber auch offensichtlich, dass die Stadt Verträge mit den privaten Unternehmen geschlossen hat, die sie nicht öffentlich gemacht haben. Da haben sie sich vielleicht in einigen Absprachen auch über den Tisch ziehen lassen mit den ganzen Gewinnen, die sie den privaten Anbietern versprochen haben. Warum kommt das jetzt erst raus? Und lassen sich die Kommunen da vielleicht nicht viel zu häufig in solchen geheimen Absprachen Nebenabsprachen austricksen?
Dr. Landsberg: Ich glaube nicht, dass das ein Regelfall ist. Wir raten auch den Kommunen, möglichst transparent und offen so etwas in Angriff zu nehmen. Wir sagen auch, in der Regel braucht eine Kommune externen Rat. Denn das sind ja häufig Projekte, die laufen nicht drei oder vier Jahre, die laufen zehn, zwanzig Jahre und in der Regel muss das auch ausgeschrieben werden. Dass ist wohl in Berlin nicht geschehen und solche geheimen Absprachen sind natürlich sehr dazu angetan, den Bürger misstrauisch zu machen. Deswegen sollte man so was lassen und ob dass überhaupt beihilfenrechtlich Bestand hat, ist ja sehr fraglich. Sie wissen vielleicht, dass es namhafte Wissenschaftler gibt, die sagen: „Wenn so etwas so gemacht wird, ohne Ausschreibung, dann mit einer Gewinngarantie, ist es möglicherweise kartellrechtlich oder beihilfenrechtlich angreifbar. Dann geht es nicht um Rekommunalisierung, dann geht es um Rückabwicklung eines nichtigen Vertrages, was natürlich auch unter Wirtschaftsgesichtspunkten dann eine ganz andere Situation ist.
Deutschlandradio Kultur: Dr. Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, vielen Dank für das Gespräch.