Die Kommunen zielen damit auf einen Sozialen oder Dritten Arbeitsmarkt für chancenlose Langzeitarbeitslose. Ähnliche Konzepte vertreten auch Kirchen, Gewerkschaften und Grüne. Zuletzt hatte die SPD-Vizechefin aus Nordrhein-Westfalen, Hannelore Kraft, einen „gemeinwohlorientierten“ Arbeitsmarkt gefordert. Begründung: „Rund ein Viertel unserer Langzeitarbeitslosen wird nie mehr einen regulären Job finden“. Allerdings sprach Kraft nicht von einer soziaversicherungspflichtigen Beschäftigung, sondern lediglich von einem „symbolischen Aufschlag“ zu den Hartz-IV-Sätzen.
In der Praxis hat sich die Politik schwergetan, für die rund 400.000 Langzeitarbeitslosen, die kaum noch eine Chance auf Vermittlung haben, eine Beschäftigung zu organisieren. Zwar gibt es in Deutschland mehr als 300.000 gemeinnützige Ein-Euro-Jobs. Doch sie sollen dazu dienen, die Arbeitslosen wieder an den Arbeitsalltag zu gewöhnen – und nicht auf Dauer zu beschäftigen. Die Zahl der Ein-Euro-Jobs lasse sich nicht beliebig vergrößern, warnt Stephan Articus, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages.
Otto Kenzler, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), kritisiert: „Ob es nun Arbeitspflicht oder ‚soziale Arbeit’ genannt wird – die öffentliche Förderung gefährdet Arbeitsplätze in Unternehmen und verhindert die Vermittlung in reguläre Beschäftigung.“ Das Handwerk mache schon lange schlechte Erfahrungen mit der Billigkonkurrenz zum ersten Arbeitsmarkt: „Wenn Kommunen Langzeitarbeitslose beispielsweise über Ein-Euro-Jobs zu Dumpingkonditionen für umfangreiche gewerbliche und handwerkliche Tätigkeiten einsetzen, verlieren in der Folge Handwerksbetriebe Aufträge und Arbeit.“.
Auch die Erfahrungen mit speziellen Programmen für Langzeitarbeitslose sind wenig ermutigend. Der Kommunalkombi, vor zwei Jahren vor allem für Kommunen mit hoher Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland eingeführt, erwies sich als Misserfolg: Statt der erhofften 100.000 Langzeitarbeitslosen bekamen bis Ende 2009 nur knapp 16.000 einen gemeinnützigen Job. „Der Flop war vorprogrammiert“, kritisiert die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Brigitte Pothmer. „Es war klar, dass die von hoher Arbeitslosigkeit betroffenen Regionen nicht zur Mitfinanzierung des Programms in der Lage sind.“ Als wenig erfolgreich erwies sich auch der 2007 gestartete Beschäftigungszuschuss für chancenlose Arbeitslose. 75 Prozent des Lohns werden dabei vom Staat übernommen. Doch im September 2009 lag die Zahl der Geförderten gerade einmal bei 36.000.
Pionier Bad Schmiedeberg
Pionier der Bürgerarbeit ist die Kleinstadt Bad Schmiedeberg in Sachsen-Anhalt. 2006 starteten dort die ersten „Bürgerarbeiter“. Für 825 Euro brutto im Monat über-nahmen sie gemeinnützige Arbeiten in Pflegeheimen, bei der Feuerwehr oder der Kirchengemeinde. Die Arbeitslosenquote halbierte sich. Heute gibt es noch 47 Bürgerarbeiter. Das Modell wurde auf weitere Städte ausgeweitet. Die Teilnehmer hätten an Selbstwertgefühl gewonnen und auch der Ort habe von der kostenlosen Bürgerarbeit profitiert, zieht die Arbeitsagentur Bilanz.
(Artikel erschienen in der "Welt" vom 10. März 2010)
Weitere Infos
- Schwerpunkt "SGB II / Hartz IV" auf www.dstgb.de
- "Städtebund will bezahlte Bürgerarbeit" - Artikel der Neuen Osnabrücker Zeitung vom 09. März 2010
- Interview: "Bürgerarbeit für Langzeitarbeitslose" im Deutschlandfunk am 10. März 2010
- Interview des Monats auf www.dstgb.de: "Bürgerarbeit in Bad Schmiedeberg" (aus dem Jahr 2007)