Kassieren die Kommunen jetzt bei den Bürgern?

Radiowelt: Den Kommunen geht es nicht gut. Die Kassen sind leer. Das Geld muss zusammengehalten werden. Aber auch das reicht offenbar längst nicht mehr. Mehr Geld muss her, das heißt: Die Bürger müssen zahlen. Anfang kommenden Jahres soll auf die Bürger, also auf uns, ein wahrer Gebührenschock zukommen, so meinen zumindest einige Zeitungen erfahren zu haben.

Am Telefon der Radiowelt ist der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Helmut Dedy. Grüß Gott, Herr Dedy.

Herr Dedy: Schönen guten Tag!

Radiowelt: Herr Dedy, Gebührenschock, ist das ein Wort, das Sie auch benutzen, wenn Sie von der Lage der Kommunen reden?

Herr Dedy: Nein. Gebührenschock benutzen wir nicht. Und da scheint mir auch eine gewisse dramatische Zuspitzung im Moment stattzufinden. Was stimmt ist, dass wir eine sehr schwierige Finanzsituation haben. Wir rechnen für 2010 mit einem Gesamtdefizit der Kommunen in Deutschland von 14 bis 15 Milliarden Euro. Das hat es noch nicht gegeben in dieser Größenordnung. Wir glauben allerdings, dass die Lösung, um dieses Problem zu beheben, nicht im Bereich der Gebühren zu suchen ist, sondern das ist dem Bereich der Sozialausgaben zu suchen.

Radiowelt: Jetzt heißt es ja schon, dass manche Kommunen neue Abgaben erfinden wollen. In Hamburg soll es etwa eine Blaulichtsteuer geben, zu zahlen bei Polizeieinsätzen, etwa bei Unfällen. Sind denn das leere Ankündigungen, um auf die klammen Kassen aufmerksam zu machen, oder wird das Realität werden?

Herr Dedy: Also die Blaulichtsteuer, die möchte ich nicht weiter kommentieren. Ich kenne das als Gebühr für Polizeieinsätze, wo die Polizei ohne Not gerufen wurde. Da weiß ich nicht genau, was da tatsächlich dahinter ist. Was stimmt ist, dass wir eine Debatte in Deutschland über so genannte Bagatellsteuern haben. Sie kennen vielleicht die Bettensteuer in Köln, oder die Sonnenstudiosteuer von der manchmal gesprochen wird. Das sind Ideen, die vor Ort entwickelt werden. Ich glaube nicht, dass man da flächendeckend mit einer solchen Welle rechnen muss und man muss einfach auch sagen, dass das kein Problem löst. Wir sprechen da über ein marginales Einnahmepotential der Städte und Gemeinden. Das ist nicht groß.

Radiowelt: Aber es ist ja offenbar Ausdruck einer Not der Kommunen. Sie sagen selbst milliardenschwere Defizite in den Kassen. Woher kommen denn diese Defizite? Können Sie das ein wenig für uns aufschlüsseln, Herr Dedy?

Herr Dedy: Die Defizite kommen in erster Linie aus dem Sozialbereich. Wir haben die Situation, dass die kommunalen Sozialausgaben in den letzten etwa 20 Jahren sich verdoppelt haben. Das heißt, wir geben in diesem Jahr für soziale Leistungen in Städten, Gemeinden und Kreisen rund 41 Milliarden Euro aus. Da sind Aufgaben drin, oder Bereiche drin, von denen wir sagen, dass das keine kommunale Aufgabe ist. Ich sage einmal ein Beispiel: Die Grundsicherung im Alter. Das ist letztlich so etwas wie eine Mindestrente. Da hat der Bundestag vor einiger Zeit beschlossen, das soll von den kommunalen Kassen finanziert werden. Aus unserer Sicht ist das überhaupt nicht nachvollziehbar. Das gehört in Bundesverantwortung und da sprechen wir z. B. über einen Kostenblock von 4 – 5 Milliarden Euro pro Jahr. Das sind Größenordnungen, an denen man tatsächlich auch Korrekturen vornehmen kann. Und da hoffen wir auf die Gemeindefinanzkommission, die ja – der Zeitplan steht nicht – aber irgendwann im Laufe dieses Herbstes – zu Ergebnissen kommen soll.

Radiowelt: Herr Dedy, wenn ich Sie richtig verstehe, der Schuldige sind dann die Länder, der Bund, die immer mehr an die Kommunen abschieben.

Herr Dedy: Die Schuld liegt bei denen, die abschieben, also die Aufgaben verlagern, ohne sich der Finanzverantwortung zu stellen. Es gibt den schönen Spruch „Wer bestellt, bezahlt“ und da gibt es jetzt auch gerade ein neues Urteil aus Nordrhein-Westfalen für den Bereich der Kinderbetreuung. Derjenige, der eine neue Aufgabe erfindet – wie z. B. diese Grundsicherung im Alter – der muss sicherstellen, wie das finanziert wird und der darf nicht – wie das häufig geschehen ist – einfach sagen, das überlasse ich der anderen Ebene. Also ich stehe für die Wohltat und die andere Ebene – in diesem Fall die Kommune – die soll sehen, wie sie das finanzieren kann. Das ist nicht verantwortbare Politik.

Radiowelt: Sie haben das Urteil in Nordrhein-Westfalen angesprochen. Der NRW-Verfassungsgerichtshof hatte vergangene Woche geurteilt, dass die Kommunen in Nordrhein-Westfalen nicht für den Ausbau der Kitaplätze aufkommen müssen und dass vielmehr das Land die Mehrkosten schultern muss. Eine Präzedenzentscheidung auch für andere Bundesländer?

Herr Dedy: Im Grundsatz wahrscheinlich. Das kleine Fragezeichen und das Wort wahrscheinlich deshalb, weil die Verfassungen der einzelnen Länder an der Stelle sehr unterschiedlich sind. Also man kann nicht sagen, so wie Nordrhein-Westfalen es in seiner Verfassung hat, dieses so genannte Konnexitätsprinzip, das ist „wer bestellt, der bezahlt“, so haben das auch alle anderen Bundesländer. Das nicht. Aber der Kern ist wie in allen Bundesländern identisch. Das ist eine Aufgabe, die kommt vom Bund über das jeweilige Land auf die Kommune. Und da muss Konnexität greifen, da müssen die Länder und ggf. der Bund anders in die Verpflichtung als bisher.

Radiowelt: Die Kassen der Kommunen sind leer, aber ein Gebührenschock kommt nicht auf uns zu. Das sagt Helmut Dedy, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. Danke für das Gespräch Herr Dedy.

Herr Dedy: Ich danke Ihnen.

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