Die einheitliche Behördenrufnummer blickt auf ein ereignisreiches Jahr 2010 zurück. Über die D115 haben inzwischen rund 15 Millionen Bürgerinnen und Bürger, die in den Modellregionen leben, einen direkten, telefonischen Zugang zur öffentlichen Verwaltung. Ingesamt gehen monatlich rund 150.000 Anrufe ein. Im neuen Jahr stellen der weitere Ausbau des Verbundes sowie der geplante Übergang in den Regelbetrieb neue Herausforderungen dar. Darüber diskutierten die Mitglieder des Netzwerk Zukunftsstädte im Rahmen einer Online-Diskussion.
Über zukünftige Aufgabenfelder und Chancen des Vorhabens wurde dabei ebenso diskutiert wie über die Risiken. Unter der Moderation von Franz-Reinhard Habbel, Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, diskutierten Dr. Dominik Böllhoff, Projektleiter für die D115 im Bundesministerium des Innern, Thorsten Bullerdiek, Beigeordneter und Sprecher des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes sowie Thomas Wolf-Hegerbekermeier, Leiter des Bürger- und Unternehmerservice des Landkreis Lippe.
Zwischen 2 und 15 Prozent der gesamten Anrufe, die in den teilnehmenden Städte eingingen, kämen inzwischen über die D115. Dies sei für eine Pilotierungsphase gut, resümierte Dr. Dominik Böllhoff. Eines der Hauptziele im Jahr 2010 sei einerseits der Versuch gewesen, weitere Kommunen mit in das Projekt einzubeziehen und den Bürgerinnen und Bürgern den Mehrwert von D115 zu verdeutlichen. Andererseits sei es darum gegangen, einen stabilen Betrieb in den bereits beteiligten Städten und Gemeinden zu gewährleisten und den Service sukzessive auszuweiten. „Diese Ziele konnten wir erreichen – damit sind wesentliche Erwartungen an das Projekt erfüllt“, sagte Böllhoff. Im Jahr 2011 sei es eine der größten Herausforderungen, den Regelbetrieb vorzubereiten, der ab März für die nächsten vier Jahre bereits gesichert sei. Neben weiteren Kommunen sollen in diesem Jahr auch sämtliche Bundesbehörden an die D115 angeschlossen werden. Die Beteiligung der Bundesebene unterstreiche den verwaltungsübergreifenden Charakter der D115 sowie die kooperative Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen. Dies leiste einen wichtigen Beitrag für mehr Transparenz, Serviceorientierung und Bürgernähe der öffentlichen Verwaltung, so Böllhoff.
Neben der Ausweitung von D115 in die Fläche wird auch der Service selbst fortlaufend ausgebaut. So wurde das Angebot im April 2010 um ein Gebärdentelefon erweitert. Der Zugang erfolgt via Videotelefonie. Grundsätzlich ist es Bürgern möglich, den Dienst montags bis freitags von 8 bis 18 Uhr zu nutzen. Die Anrufe sollen dabei durch Mitarbeiter in einem D115-Servicecenter bereits innerhalb von spätestens 30 Sekunden angenommen werden. Ziel ist es, zwei Drittel der Anfragen umgehend zu beantworten. Wenn nicht sofort geantwortet werden kann, erhält der Anrufer innerhalb von 24 Stunden eine Rückmeldung - je nach Wunsch per Mail, Fax oder Rückruf.
Mehrwert in der Modellregion Lippe
Unter den Modellregionen befindet sich auch der Kreis Lippe in Nordrhein-Westfalen. Von den 16 Kommunen, die der Kreis umfasst, verfügen bislang drei über den neuen Service (Bad-Salzuflen, Kalletal, Leopoldshöhe). Der Aufbau eines eigenen Service Centers auf Kreisebene stellt allerdings nicht die einzige Lösung für Landkreise und kreisangehörige Kommunen dar. Ingesamt stehen verschiedene Organisationsmodelle zur Verfügung. Die kreisangehörige Stadt Bad-Salzuflen habe sich beispielsweise im Rahmen der Pilotierung für eine Kooperation mit der Stadt Bielefeld entschieden und lasse im dortigen Service-Center alle D115-Anfragen beantworten, sagte Thomas Wolf-Hegerbekermeier. Außerdem beantworten auch Städte Fragen für Kreise, wie Arnsberg für den Hochsauerlandkreis oder Köln für den Rhein-Erft-Kreis. Derzeit werden außerdem Modelle für die Umsetzung von D115 in virtuellen Service Centern entwickelt, so dass auch kleinere Verwaltungen in den D115-Verbund integriert werden können.
Chancen und Risiken abwägen
Zu den Vorteilen der einheitlichen Behördenrufnummer zähle, dass sich die Nutzung der D115 im Kreis Lippe außerordentlich gut in die gesamte eGovernment-Strategie des Kreises eingefügt habe, sagte Wolf-Hegerbekermeier. Diese beinhalte u. a. ein Beschwerdemanagement, eine digitale Bauakte sowie eine Online-Plattform für die elektronische Abwicklung von Vergabesystemen. Auch die Effizienz der Verwaltungen werde erhöht. In den Service Centern ließen sich ständig wiederkehrende und häufig anfallende Fragen bündeln und von speziell für diese Aufgabe qualifizierten Mitarbeitern beantworten. Dies beschleunige die Arbeitsabläufe und erhöhe gleichzeitig die Qualität der Auskünfte. „Außerdem erhalten die Bürgerinnen und Bürger jetzt auch in den so genannten ‚Randstunden’ die Möglichkeit über die D115 Antworten auf Verwaltungsfragen zu erhalten. Der Bürgerservice steigt dadurch enorm“, sagte Wolf-Hegerbekermeier. Die Kosten für den technischen Aufwand seien dabei sehr gering.
Thorsten Bullerdiek befürchtet hingegen eine hohe Kostenbelastung auf der gemeindlichen Ebene und gab zu Bedenken, dass die Bindung zwischen der Gemeinde und ihren Bürgern geschwächt werden könne, wenn der Landkreis diesen Service übertragen bekomme. Dabei seien die Kommunen selbst in der Lage, bürgerfreundlich Fragen zu beantworten. In Städten und Gemeinden erhielten die Bürger außerdem bereits heute persönlich, telefonisch, per E-Mail und über Internet-Services Auskunft zu allen Lebenslagen. Der Mehrwert einer zusätzlichen Behördenrufnummer sei daher fraglich. Man müsse den Abschlussbericht im März abwarten, um die Perspektiven des Projektes bewerten zu können, resümierte Bullerdiek.
Für den Kreis Lippe und die ansässigen Orte seien viele Vorteile und insgesamt eine „win-win-Situation“ zu verzeichnen. „In jedem Fall ist das Projekt aber eine geeignete Triebfeder, um über die Optimierung des Bürgerservices im Allgemeinen zu diskutieren“, entgegnete Wolf-Hegerbekermeier. Dass die D115 dabei allein nicht ausreiche, um zu flächendeckenden interkommunalen Kooperationen zu gelangen, sei klar.
„D115 ist als ein Baustein in einer ganzheitlichen Konzeption zur Verbesserung des Services für die Bürgerinnen und Bürger zu sehen“, betonte auch Böllhoff. Telefonischer Bürgerservice sei insbesondere in kleinen Gemeinden bisher kein Schwerpunktthema gewesen. In erster Linie sei es dort um den Aufbau von Bürgerbüros und professionellen Internetseiten gegangen. D115 könne das Serviceniveau gerade von kleinen Kommunen erheblich steigern, sagte Böllhoff. „Die Etablierung der 112 hat auch rund 20 Jahre gedauert. Langfristig ist der flächendeckende Ausbau der Behördennummer daher keinesfalls unmöglich“, prognostizierte Böllhoff.
Die nächste Online-Konferenz des Netzwerk Zukunftsstädte befasst sich mit dem Thema „Home Network 2.0 – das vernetzte Zuhause“ und findet am 28. Februar 2011 statt. In diesem Zusammenhang wird Hans-Jürgen Prell, Verantwortlicher für den Bereich HomeNetwork in der Zentrale der Deutschen Telekom AG in Bonn, anhand von Praxisbeispielen darstellen, wie moderne IT- und Kommunikationslösungen künftig den Alltag zu Hause verändern werden.